Letzten Freitag schickte mir ein sehr guter Freund eine E-Mail mit der Frage, was ich aus Marken- und Positionierungssicht von der Positionierung von Banksy als Streetart-Künstler halte. Als Antwort schickte ich ihm eine Top 10-Liste von Streetartkünstlern, die man laut dem Singulart-Blog kennen sollte. Daraufhin meinte er, dass er nur die beiden Erstgenannten kenne. Genau das entspricht zwei wesentlichen Prinzipien oder Gesetzen der Positionierung und Markenführung. Aber jetzt mehr dazu im Detail:
Das Gesetz des Schlagwortes
Sie denken an Pop-Art. Sie denken an Andy Warhol. Sie denken an Streetart. Sie denken an Banksy. Sie interessieren sich für Themen wie „Fit ohne Geräte“. Sie denken an Mark Lauren. Das ist das Gesetz des Schlagworts. Um sich Menschen(namen) oder Marken(namen) merken zu können, brauchen diese eine spezifische Bedeutung in unserer Wahrnehmung. Sie brauchen eine Art „mentalen Haken“.
Im Idealfall lässt sich diese spezifische Bedeutung auf ein Wort oder eine simple Idee reduzieren. Klingt einfach, ist es aber leider meistens nicht. Denn wenn Sie selbst ein Wort besitzen wollen, müssen Sie nicht nur überlegen, wofür Sie gerne stehen möchten. Sie müssen auch akzeptieren, dass viele Worte, von denen Sie vielleicht gerne eines hätten, bereits mental von jemand anderem besetzt sind.
Erschwert wird das Ganze noch dadurch, dass viele gerne genauso wie der Marktführer wären. Nur das widerspricht klar diesem Prinzip des Schlagworts. Nehmen Sie den Markt für Verkaufstrainer! Ab den 1970er Jahren ging der Trend klar in Richtung „Beratung statt Verkaufen“, also in Richtung Soft- und dann sogar Love-Selling. Die logische Folge: Die gesamte Branche bewegte sich in diese Richtung. Nur genau dann macht es Sinn, dass man das Gegenteil tut. Das machte und macht mit sehr großem Erfolg Martin Limbeck, der sich mit seinem Bestseller „Das neue Hardselling“ klar als „Der neue Hardseller“ positionierte. Damit sind wir auch schon beim zweiten Gesetz.
Das Gesetz der Dualität
Erfolg zieht Erfolg an. Das heißt: Als etwa die Marke Red Bull in den 1990er Jahren so richtig durchstartete, zog der Erfolg nicht nur neue Kunden, sondern vor allem auch neue Wettbewerber an. Nehmen Sie etwa den Fitness-Markt. Als Mark Lauren mit seinem Bestseller „Fit ohne Geräte“ vor mehr als 10 Jahren volll durchstartete, löste er damit eine Bodyweight-Bewegung in der Fitnessszene aus, auf die unzählige Fitnessexperten und Fitnessexpertinnen aufsprangen. Heute ist die Welt der Bücher, Videos und Apps überfüllt mit derartigen Bodyweight-Angeboten.
Nur genau das überfordert unser Gehirn enorm. Unser Gehirn liebt de facto Entweder-oder-Entscheidungen, wie etwa Wein oder Bier, Weißwein oder Rotwein, Kaffee oder Tee, Coca-Cola oder Pepsi-Cola, Visa oder Mastercard, Mercedes oder BMW, Aldi oder Lidl, Persil oder Ariel oder Red Bull oder Monster. So ist es auch nicht verwunderlich, dass mein Freund nur die beiden erstgenannten Streetart-Künstler der oben erwähnten „Top 10-Liste von Singulart kannte. Hier diese Top 10 im Überblick: (1) Banksy, (2) Vhils, (3) Above, (4) Roa, (5) C215, (6) Mentalgassi, (7) Hyuro, (8) Titi Freak, (9) Spy und (10) Laguna.
Akzeptanz und Fokussierung
Das heißt: Wenn Sie heute eine Marke, ein Anliegen, eine Person oder sich selbst positionieren wollen, sollten Sie immer mit der Wahrnehmung der Kunden starten, um zu sehen, welche Positionen bereits besetzt sind. Dann sollten Sie überlegen, mit welcher Idee, am besten mit welchem Wort Sie aus dem Schatten der bereits besetzen Positionen kommen können. Interessant dazu ist in der obigen Top 10-Liste der Streetart-Künstler besonders die Nummer 2, da der Name Vhils speziell auch für „Explosionsvideos“ steht. Heißt: Er hat bewusst oder unbewusst seinen eigenen Fokus und damit seine eigene Position in der Streetart-Szene gefunden. Wahrscheinlich wäre er noch populärer, wenn er zusätzlich einen etwas explosiveren Künstlernamen hätte. Wo liegt der Fokus Ihrer Marke, um eine starke Position in der Wahrnehmung einzunehmen? Diese Frage ist einfach gestellt, aber (leider) oft gar nicht so einfach zu beantworten.
Ja, auch der Kunstmarkt ist ein Markt – also Ökonomie.
Schon interessant, wie sich die Al Ries- & Michael Brandtner-Regeln auch h i e r anwenden lassen.
Danke dafür, dass Sie auch immer wieder Beispiele bringen, die jenseits der klassischen Welt von uns BWLern und MBAs liegen…