S-Budget bei Spar, Coca-Cola, Red Bull und Actimel bei Hofer. Wie es aussieht, wird der Wettbewerb zwischen den klassischen Supermärkten und dem einen klassischen Diskonter immer härter. Beide Vertriebsschienen beginnen defacto im Revier des anderen zu jagen.
Gefährliche Umsatzjagd
Die Ursache dahinter ist klar: In gesättigten Märkten geht Umsatzwachstum in der Regel nur über Verdrängung. Also versuchen die Supermärkte ihr Eigenmarkengeschäft zu forcieren, um Hofer-Kunden zu gewinnen. Also versucht Hofer das Markengeschäft zu forcieren, um Supermarktkunden zu gewinnen bzw. seine Kunden nicht an die Supermärkte zu verlieren.
Nur damit werden sich beide Geschäftsmodelle zwangsläufig auch ähnlicher. Der Supermarkt wird so aus Kundensicht dem Diskonter ein wenig ähnlicher. Der echte Diskonter wie Hofer wird aber so aus Kundensicht immer mehr zum Me-too-Supermarkt. Was dabei langfristig betrachtet verloren geht, ist vor allem für einen Diskonter wie Hofer die Differenzierung. Denn wenn beide Geschäftsmodelle verschmelzen, entsteht in der Regel ein Hybridgeschäftsmodell.
Das Problem der Fluglinien
Genau das ist heute etwa das Problem der klassischen Fluglinien. Diese versuchen mit Gewalt jeden Kunden zu erreichen. Also bietet man verschiedene Flugklassen an, um alle Kundenwünsche abzudecken. Aus reiner Umsatzsicht mag dies logisch sein. Aus Differenzierungs- und vor allem Gewinnsicht ist das fatal.
Das merkt man am stärksten an der Hybridfluglinie Air Berlin, die sowohl wie eine Diskontfluglinie und eine klassischen Fluglinie sein möchte. Das Ergebnis sind horrende Verluste. Damit kommen wir zurück zum Handel. Wenn beide Vertriebsschienen sich immer ähnlicher werden sollten, dann wird zwangsläufig der tiefe Preis als Entscheidungskriterium immer wichtiger. Frage dazu: Sollte Ryanair jetzt anfangen, verschiedene Flugklassen einzuführen, um auch andere Kundenschichten zu gewinnen? Natürlich nicht, denn damit würde man zu einer Hybridfluglinie und das eigene Geschäftsmodell zerstören.
Ähnlichkeit führt zum Preiskampf
Kurz- und vielleicht gar mittelfristig mag es für die Supermärkte Sinn machen, den Diskontern ähnlicher zu werden. Kurz- und mittelfristig mag es für einen Diskonter wie Hofer Sinn machen, den klassischen Supermärkten ähnlicher zu werden. Nur je ähnlicher sich die Angebote in einem bestimmten Markt werden, desto wichtiger wird der tiefe Preis als Entscheidungskriterium für die Kunden. Damit könnte oder besser wird wahrscheinlich der Preiskampf auf Sicht eine neue, nie dagewesene Dimension erreichen.
So gesehen ist diese Entwicklung auch für die Markenartikelindustrie nicht ungefährlich. Auch hier mögen sich kurzfristig vor allem für starke Marken neue Wachstumschancen ergeben, weil sich mit dem Öffnen des Diskonts eine neue Vertriebsschiene eröffnet. Nur langfristig gesehen steigt die Gefahr enorm, dass man dann den Preiskampf der Ketten mitfinanzieren muss. Davon könnten vor allem kleine und kleinere regionale Marken profitieren, die sich bewusst nur auf die klassischen Supermärkte als Vertriebskanal fokussieren, um dort in Nischen erfolgreich zu sein.
Verpöntes Gewinndenken
Nur das Problem dahinter liegt noch tiefer. Unsere Wirtschaft wird heute massiv vom reinen Umsatzdenken gesteuert. Gewinn ist ein verpöntes Wort. Wenn in einem Unternehmen der Umsatz um zwei oder drei Prozent einbricht, ist Feuer am Dach. Wenn der Gewinn massiv einbricht oder sogar ins Negative dreht, besteht immer noch das Prinzip Hoffnung. Die fatale Folge dieser Denkhaltung in gesättigten Märkten: Immer mehr Umsatzriesen ohne Rendite. Dies sollte man auch bei Hofer bedenken, bevor man u. U. das eigene Geschäftsmodell dem Umsatzdenken opfert. Denn Hofer hat in diesem Fall viel mehr zu verlieren als Billa oder Spar. Es wäre so, als ob Ikea wie XXXLutz oder Kika werden möchte.
Erschien im Original in CASH Handelsmagazin September 2012
Wie so häufig, treffend formuliert und ein großes Stück Wahrheit darin! Nur was machen wenn man Hofer ist und die anderen (nicht nur die anderen Discounter) im eigenen Revier wildern. Abwarten und Tee trinken, in der scheinbaren Sicherheit einer differenzierenden Marke? Ich glaube wenn man drin steckt gar nicht so einfach. Mich würden ja mal konkrete Zahlen interessieren. Erhöht sich bei Discountern der Margendruck bei Aufnahme von Markenartikeln ins Produktsortiment. Gibt es in klassischen Supermärkten Kannibalisierungseffekte im Zusammenhang mit eigenen Handelsmarken?
Was sollte Hofer tun? Für das eigene Geschäftsmodell vor allem auch in der Kommunikation kämpfen. Letztendlich unterstützen Spar und Billa mental das Geschäftsmodell von Hofer, auch wenn Hofer jetzt kurzfristig darunter leidet. Man sollte nie ein strategisches Erfolgsmodell aufgrund kurzfristiger Probleme oder Herausforderungen antasten.
Zu den Zahlen: Auch diese sollte man bei strategischen Entscheidungen einmal in den mentalen Hintergrund drängen, denn es geht nicht darum, dass man die Bäume im Wald zählt, sondern den Wald sieht. Gerade kurzfristige Ertragspotenziale zerstören oft erfolgreiche Geschäftsmodelle nachhaltig.
Warum sind heute die Fluglinien so unter Ertragsdruck? Antwort: Weil sie eine Kostenstruktur haben, um alle Kundenwünsche zu erfüllen. Der Erfolg von Hofer beruht auf einem einfachen Geschäftsmodell in jeder Hinsicht. Wenn man dieses komplexer macht, werden die Kosten zwangsläufig steigen. Das Modell wird erodieren. Und irgendwann kommt der Satz: „Wir müssen uns wieder auf unser Erfolgsmodell refokussieren.“
Warum nicht gleich dabei bleiben? Das fällt vielen enorm schwer, weil man nur die kurzfristigen Zahlen sieht.
Dazu noch ein interessanter Vergleich aus der IT-Branche: HP geht Richtung Software, weil man anscheinend mit Hardware kein Geld verdienen kann. Oracle geht in Richtung Hardware, weil man ascheinend mit Software kein Geld verdienen kann. Die logische Folge: Beide werden wengier Geld verdienen.
Liebe Grüße
Michael Brandtner
Wir erleben einen ähnlich gelagerten Fall. ALDI hat deutschlandweit einen Capri-Sonne-Ersatz gebracht. Eine Folge: Der klassische LEH verliert dadurch Reputation und Umsatz. Von LIMUH als erste Kindergetränkemarke mit Stevia wird in Kürze eine neuen Getränkegeneration im Trinkpäckchen gelauncht. Und siehe da, die Resonanz der deutschen Händler ist auf die Produktvorstellung so groß wie neie zuvor. Zwei mögliche Ursachen: (1) Die Innovation wird als relevant und gut beurteilt (2) Der klassische LEH sucht lukrative Sortimentsergänzung um im Kindersegment wieder attraktiver für den Verbracher zu sein. Ein Beispiel für den ständigen Kampf der Systeme, der mal mit mehr mal mit weniger Marke ausgefochten wird.
Beide Systeme sollten sich auf ihre Stärken besinnen! Für die Supermärkte sollte es mehr Marke sein. Für Aldi keine Marke.
Liebe Grüße
Michael Brandtner
Lieber Herr Brandtner,
ich als Laie im Branding bedanke mich sehr für Ihre professionellen und treffenden Ausführungen. Nachdem ich selbst am Aufbauen einer Marke bin, hilft mir dieser Blog enorm.
Ein Satz noch um „Kurzfristdenken“ der Firmen: In gegenwärtigen Zeiten ist es so, dass die Kapitalgeber den Weg der Firma vorgeben – alles wird schneller. Nicht Jahreszahlen sind von Interesse, sondern mindestens Quartalszahlen. So wird es für stark fremdfinanzierte Unternehmen schwierig, auf Kurs zu bleiben. Der Mensch tut sich eben schwer im Umgang mit Langzeitfolgen…beste Grüße aus der Steiermark.
Da haben Sie recht!!!
Beste Grüße in die Steiermark
Michael Brandtner
Man nennt das auch Defizitausgleichstrategie. Letztendlich führt das jedoch zu einer „nicht gewollten“ Repositionierung, die nicht zweckmäßig ist und die die bisher getätigten Investitionen in eine Marke „beschädigen“. Basis solcher Fehlentwicklungen ist das sogenannte Abfragen von Image – Batterien. Wenn man dann in einigen Dimensionen schlechter abschneidet als die Konkurrenz, dann setzt man auf diese Felder, egal ob das zur eigentlichen Positionierung passt oder nicht. Citroen hatte auch mal festgestellt, dass sie im Bericht „Sicherheit“ eine Imagedefizit haben. Also hat man dann in der Werbung gezeigt, dass Citroen auch ein sicheres Auto ist. Das funktioniert leider nicht.