Nicht nur die IAA, die ich letzte Woche gemeinsam mit dem Ries Team besuchte, sondern die generelle Autowelt (bis auf wenige Ausnahmen) vermittelt heute den Eindruck, dass es vor allem um mehr Modelle, das Logo und mehr oder weniger kreative analoge und digitale Kampagnen geht. Vergessen wird dabei anscheinend, dass man auch in die Marke für die Zukunft investieren sollte. Dazu sollten wir uns speziell drei Punkte ansehen:
Verunsichert durch Modelleinheitslook
Nehmen Sie etwa Audi! Wissen Sie heute noch, wenn Sie einen Audi auf der Straße sehen, ob es das aktuelle Modell, das Vorgängermodell oder gar eine absolute Produktneuheit ist? Haben Sie überhaupt noch einen Überblick über die Modellpalette von Audi?
Ein wesentlicher Grund dafür liegt über 15 Jahre zurück. So meinte der ehemalige Chef-Designer von Audi Wolfgang Egger in einem Interview für Auto, Motor und Sport (Heft 15/2011) zum zukünftigen und damit auch heutigen Design von Audi: „In Zukunft wollen wir die Gratwanderung schaffen, uns zu erneuern und trotzdem die Werte der Marke zu erhalten. Heute erwähnen die Kunden oft gar nicht mehr ihr Modell, sie sagen stolz „Ich fahre Audi“.“
Die aus Markensicht brutale Folge dieser „Einheitslook-Strategie“: Irgendwie sehen heute alle Audi-Modelle gleich „alt“ aus. Und das gilt nicht nur für Audi. Das gilt für immer mehr etablierte Automarken, die heute den Markt mit viel zu vielen Modellen überschwemmt haben. Nur wenn man heute kein Bild vom eigenen zukünftigen Traumwagen im Kopf hat, dann steigert das mit Sicherheit nicht die Kauflust.
Verunsichert durch Politik, Manager, Medien
Aber auch die Politik, die verantwortlichen Manager und damit folglich auch die Medien tragen sicher nicht zur Kaufluststeigerung, sondern eher zur Verunsicherung und Verwirrung bei. Wenn sich heute Menschen nicht über den Antrieb des neuen Autos entscheiden können, ist der leichteste Ausweg, die Kaufentscheidung zu verschieben.
Noch vor wenigen Jahren sangen so gut wie alle Konzernvorstände der großen etablierten Autokonzerne das hohe Lied der Elektromobilität, heute lautet auf einmal das Schlagwort Nr. 1 „Technologieoffenheit“. So fordert man auch aktuell, dass die EU das „Verbrennerverbot 2035“ überdenkt.
Kurzfristig mag dies aus Sicht der Konzernbosse Sinn machen, nur langfristiger betrachtet, verlängert man so die Periode der Unsicherheit und vor allem der Verunsicherung. Wie sollen Kunden sich in einer Kaufentscheidung sicher fühlen, wenn sowohl Politik als auch Management verunsichert wirken. Und natürlich wird diese Verunsicherung durch die analogen und digitalen Medien und deren Akteure verstärkt.
Verunsichert durch fehlende Markenpositionierung
Damit kommen wir zum dritten Punkt der Verunsicherung. Marken sollten Kunden nicht nur ansprechen und gefallen, Marken sollten eine echte Entscheidungshilfe sein. Nur dazu muss eine Marke auch für etwas stehen. Nur hier dürften sich viele Verantwortliche viel zu sehr auf die Vergangenheit verlassen. So sind viele Entscheider in der Autoindustrie natürlich in dieser Industrie groß geworden und sie wissen aus ihrer Erfahrung, wofür die Marken stehen. Das gleiche gilt auch für viele Kunden, die sich seit Jahrzehnten für das Thema Auto interessieren oder sogar begeistern.
Wie aber sieht es mit der nachwachsenden Generation aus? Was lernt diese heute über die etablierten Marken? Wenn Marken sich zu sehr auf ihre Vergangenheit und Tradition verlassen, kann das massiv ins Auge gehen. Genau das erlebt die deutsche Autoindustrie aktuell in China. Dort sind auf einmal die guten alten Markenwerte alleine zu wenig, um die Marken für die Kunden weiterhin attraktiv zu machen. In der Verbrennerwelt waren diese Markenwerte das Nonplusultra, in der Elektroautowelt sieht das etwas anders aus. Genau hier muss Europa aber generell aufpassen, dass man nicht zu einer Art „Markenmuseum“ wird.
Das heißt: Marken sollten nicht nur in und von der Vergangenheit und der Gegenwart leben, sondern auch aktiv die Zukunft gestalten. Dazu gehört auch, dass man die eigene Markenpositionierung nicht nur „aberntet“, sondern auch für die Zukunft schärft und Tag für Tag extern und intern lebt. Hohe Bekanntheit und hohes Vertrauen sind Werte, die man sich verdient hat, aber keine Garantie für die Zukunft.
Verunsicherung mit Verunsicherung bekämpfen
Diese mentale Verunsicherung auf mehreren Ebenen ist heute der größte Feind der etablierten Autoindustrie, egal ob in Europa, Asien oder der USA. Das gilt nicht nur auf der Kundenseite, sondern auch auf der Mitarbeiterseite. Nur wie es aussieht, will man diese Unsicherheit mit weiterer Verunsicherung bekämpfen. Genau dabei hätte die Elektromobilität die große Chance bedeutet, wieder Ordnung ins System zu bringen.
So aber – wie es aktuell aussieht – sorgt die Elektromobilität bei den etablierten Autoerzeugern für noch mehr Verwirrung. Dies zeigt alleine etwa das Namensgebungschaos bei VW und Audi. Nur diese Art der Verwirrung wird für zwei Dinge sorgen: (1) Es dämpft die Kauflaune und Kauflust. (2) Die Kunden werden offener für Alternativen (aus China).
Fazit: Hände weg von allem, was die Kunden verunsichert. Verunsicherung ist die Antithese zur Marke und damit auch zum Markenerfolg. Nur das bedeutet vor allem, dass die verantwortlichen Manager ihre Marken wieder klar ausrichten statt selbst diese Verunsicherung zu verstärken. Genau das kann aber auch bedeuten, dass man über neue Marken nachdenken sollte.
PS dazu: Vielleicht hätte BMW den Spitznamen Bimmer aus den USA nutzen sollen, um eine starke Elektroautomarke und eine echte Neue Klasse zu bauen?
