CDU-Spot: Mehr Nachruf auf Deutschland als Weckruf für die Zukunft

Wie Horizont Online berichtete, hat die CDU jetzt ihren zentralen Werbespot präsentiert, um Friedrich Merz zum deutschen Bundeskanzler zu machen. Dieser Spot passt mit Sicherheit zu 100 Prozent zur CDU und wahrscheinlich zu 100 Prozent zu den Entscheidern und Entscheiderinnen in der CDU. Man kann sich dabei bildhaft vorstellen, wie vor allem dunkelgraue Anzugsträger von dieser Art Werbung bei der Erstpräsentation angetan waren und wahrscheinlich sind. Ob man damit aber wirklich in Summe neue Wähler und Wählerinnen dazu gewinnt, scheint eher fraglich. Dazu sollten wir diesen Spot aus drei Perspektiven betrachten.

(1) Der mentale Kontext

Der Spot startet aus Markensicht brillant, weil er genau die Stimmung trifft, die viele Deutsche und wahrscheinlich auch viele Nicht-Deutsche haben, wenn man über den aktuellen Zustand von Deutschland nachdenkt. So startet man mit der Eingangsfrage „Deutschland, was ist los mit dir?“, um dann sofort die Antworten zu geben, bei denen wahrscheinlich die Mehrheit zustimmt.

So spielt man darauf an, dass Deutschland nicht mehr Exportweltmeister ist, dass man nicht mehr Technologieführer ist, dass man nicht mehr respektiert und bewundert wird, und dass es mit den klugen Köpfen, Dichtern, Denkern und tatkräftigen Machern nicht mehr so ist, wie es sein sollte. Hier passen aus Markensicht, Inhalt, Tonalität, Bildwelt und Musik perfekt zusammen.

Genau diese Punkte sollte jeder Herausforderer mit Führungsanspruch in der Politik oder auch in der Markenwelt bedenken. Man sollte nicht mit der eigenen Marke, sondern immer mit dem mentalen Kontext starten. So machte es auch 1988 für Dr. Best enorm Sinn, dass man zuerst die starren Zahnbürsten als Einleitung aufgriff.

(2) Die Repositionierung der aktuellen Ampelregierung

Auch der zweite Teil – wenn auch dann schon etwas langatmig – gelingt sehr gut. Man repositioniert zuerst die aktuelle Regierung, bevor man über die eigene Vorzüge spricht. Dabei wird vor allem angezeigt, dass man wieder vom Streiten ins Machen kommen muss, dass man wieder Politik machen muss, die hält, was man verspricht, dass man auf Verlässlichkeit statt Chaos setzen muss, dass man die Wirtschaft wieder ins Laufen bringen muss, und dass das Leben für alle wieder bezahlbar werden muss.

Natürlich werden zudem auch die Themen Sicherheit, Zuhausefühlen, Fleiß, Zuversicht und gute Zukunft angesprochen. Heißt: Nach circa 70 Sekunden hat man dann in Summe nicht nur die Ausgangssituation aufgezeigt, sondern auch geschickt die aktuelle Regierung und deren Arbeit als ungenügend repositioniert. Bis zu diesem Punkt passen – abgesehen vielleicht von der Länge – Inhalt, Tonalität, Bilder und Musik immer noch perfekt zusammen.

Das war etwa der Punkt, als Dr. Best mit dem Bild der Tomate herkömmliche starre Zahnbürsten als gefährlich für Zahnfleisch und Zähne repositionierte. Genau mit dieser Art von Vorgehensweise und Argumentationsmuster legt ein Herausforderer die perfekte Basis, um dann die eigene Marke als Held oder Lösung zu positionieren. Das macht dann auch Dr. Best, um die  „nachgebende Zahnbürste“ als die perfekte Lösung darzustellen. Und damit kommen wir zum dritten Punkt.

(3) Die Positionierung von Friedrich Merz

Natürlich versucht genau auch das die CDU mit diesem Spot, um in den letzten 20 Sekunden Friedrich Merz als den idealen Kandidaten und Kanzler zu präsentieren und zu positionierten. Mit „Lass uns das machen Deutschland“ erscheint Friedrich Merz dann persönlich im Spot, um aufzuzeigen, dass mit ihm Deutschland wieder das Land wird, das man kennt, liebt und worauf man wieder stolz sein kann. Anschließend kommt natürlich die Aufforderung, dass man den Politikwechsel, also die CDU wählen sollte.

Wenn man diese Zeilen so liest, hat die CDU mit diesem Spot alles verbal richtig gemacht. Was aber fehlt, ist die emotionale Aufbruchsstimmung. So gelingt es weder wirklich von der Tonalität, noch von der Bildwelt und schon gar nicht von der Musik das rational-verbale mit echten Emotionen aufzuladen. (Vielleicht waren die Macher dieses Spots bereits selbst von den ersten 70 Sekunden so „eingeschläfert“, dass es einfach nicht mehr ging.)

Hier hätte man sich „Hollywood“ als Vorbild nehmen können. So schaffen es die Filmemacher perfekt, speziell mit der Musik die jeweils richtigen Emotionen zu wecken und zu unterstreichen. Hier hat man bei diesen Spot aus Markensicht mit Sicherheit enormes Potenzial liegen lassen. Zudem wirkt auch Friedrich Merz im Spot selbst eher wie ein „Olaf Scholz“ als  ein „Donald Trump“. (Verantwortlich hierfür könnte natürlich sein, dass man bereits jetzt mehr auf Staatsmann als auf Herausforderer machen wollte.)

Zu rational, zu wenig emotional

Fazit: Wahrscheinlich passt dieser Spot wirklich aktuell perfekt zur Markenidentität, zur Markentonalität und auch zum Markenbild der CDU. Aber im Sinne des Wahlkampfs hätte man vielleicht ein wenig mehr auf Emotion und die richtige Musikinszenierung setzen sollen. Manche in der CDU denken jetzt vielleicht an den Wahlkampf von Helmut Kohl im Jahr 1982 zurück. Damals brachte – wenn auch ironisch gemeint – der Song „Bruttosozialprodukt“ von Geier Sturzflug die allgemeine Stimmung perfekt auf den Punkt.

Dazu schrieb Klaus Pokatzky (Zeit Nr. 49/1983) das Folgende: „Das wird dann das Lied zur Wende in Bonn. „So viel Schwung, so viel Optimismus“, jubelt die CDU-Welt. Ironie hat es schwer in Deutschland. Und eine Band, von der sich einige Mitglieder auch nach dem großen Erfolg noch als überzeugte, radikale Linke sehen, sowieso.“ Aber genau diese Art von Aufbruchsstimmung und Wir-Gefühl fehlen aktuell nicht nur im oben erwähnten CDU-Spot, sondern wahrscheinlich im gesamten Wahlkampf der CDU. So gesehen ist dieser Spot ein perfekter Nachruf, aber wahrscheinlich kein echter Weckruf.

Erschien im Original auf Horizont.net

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