Die europäische Autoindustrie hat ein neues Schlagwort, nämlich „Technologieoffenheit“. Das „Aus vom Verbrenner-Aus“ der EU sehen viele, wenn auch nicht alle, als positiv für den Standort Europa und die europäische Autoindustrie. Denn damit werden aus einer Zukunft ohne Verbrenner gleich mehrere potenzielle Zukünfte mit verschiedenen Technologien.
Der Fluch der Zukünfte
Nur wenn man zurückblickt, war es für die europäische Autoindustrie am schönsten, als man nur eine Zukunft, nämlich die des Verbrenners kannte. Total fokussiert auf Benzin und Diesel setzte man vor allem auch im Premiumsegment die Weltstandards.
Für die meisten Unternehmen ist die Welt dann in Ordnung, wenn es eine geradlinige Zukunft gibt, auf die man das Unternehmen in Summe mit einer oder auch mehreren Marken fokussieren kann. Strategische Probleme beginnen in der Regel dann, wenn man auf einmal vor mehreren potenziellen Zukünften steht.
Für Nokia war die Welt in Ordnung als man nur eine Zukunft hatte, nämlich das Mobiltelefon. So war Nokia nicht auf Telefone in Summe, sondern nur auf Mobiltelefone (ohne Festnetztelefonie) fokussiert. Als mit dem Smartphone dann eine zusätzliche mobile Zukunft auftauchte, stiegen nicht die Chancen, sondern begannen die Probleme.
Der Fluch der Lobby der Vergangenheit
Verstärkt wird das Problem in der Regel noch dadurch, dass die über Jahre und Jahrzehnte gewachsene alte Zukunft im Unternehmen, die dann auf einmal durch eine neue Zukunft bedroht wird, immer die stärkere Lobby hat. So macht die alte Zukunft in der Regel mehr Umsatz, mehr Gewinn und beschäftigt mehr Mitarbeiter. Zudem ist diese gewachsenes Geschäfts- und Denkmodell.
Diese Lobby der alten Zukunft hat sich so auch auf EU-Ebene durchgesetzt. Dabei hat man mit Technologieoffenheit ein schönes Ersatzwort für „Verteidigung der Vergangenheit“ gefunden. In der Theorie klingt „Offenheit“ perfekt, in der Praxis sieht das Ganze oft anders aus. Hier führt Technologieoffenheit dann zu Richtungs- und Strategielosigkeit.
Die perfekte Lösung aus Markensicht
Für speziell große Unternehmen gibt es aus Markensicht dazu eine optimale Lösung. Dazu sollten wir einen gedanklichen Ausflug in das Jahr 1994 machen. Damals empfahlen Al Ries und Jack Trout dem Unternehmen Kodak, dass man die Marke Kodak auf die alte Zukunft „analoge Fotografie“ fokussiert, um gleichzeitig eine neue Marke für die neue Zukunft „digitale Fotografie“ zu bauen.
Das heißt: Speziell Mehr-Marken-Systeme können die perfekte Lösung sein, wenn ein Unternehmen vor mehreren Zukünften steht. Die perfekte Ausgangsbasis dafür hätte in Europa der VW Konzern gehabt. Nur dürfte auch hier die Technologieoffenheit über die mögliche neue Mehr-Markenstrategie gesiegt haben.
