Marke muss Haltung zeigen, Marke muss einen Purpose haben, Marke muss gesellschaftlich relevant sein. Zudem muss Marke emotionalisieren, muss unterhalten und muss von Fall zu Fall auch witzig sein. Marke muss, muss und muss. Speziell seit der Corona-Krise muss Marke zudem Bezug zur Krise herstellen, die Gemeinsamkeit beschwören und natürlich auch Optimismus versprühen. Was dabei anscheinend total vergessen wird, ist der Kern der Marke selbst.
Was Marke ausmacht
Natürlich sind alle oben erwähnten Punkte wichtig und sollten auch bedacht werden. Nur alle diese Punkte sind für eine Marke komplett sinnlos, wenn diese selbst keine klare markenspezifische Position in der Wahrnehmung der Kunden hat. All diese Punkte helfen einer Marke wenig, wenn diese nur als weiterer Anbieter unter vielen wahrgenommen wird. Für VW als Marktführer wäre es wichtig – gerade auch in Zeiten von Technologiewandel und Dieselskandal – endlich eine klare Haltung einzunehmen. Für Opel wiederum wäre es aktuell viel, viel wichtiger, endlich die Marke selbst einmal klar zu positionieren. Oder nehmen Sie aktuell den DFB. So macht es absolut Sinn, dass man jetzt mit der „Bund für Vielfalt“-Kampagne aktiv Stellung zum Thema Diversity bezieht. Hier sollte und muss man klar in Summe für den deutschen Fußball die Themenführerschaft suchen.
Das heißt aber auch: Bevor man sich auf Themen wie Haltung, Purpose oder Corona stürzt, sollte man sicherstellen, dass man von der Basis her optimal in der Wahrnehmung der Kunden positioniert ist. Dabei kann man sehr viel von den besten Marken lernen, denn diese besitzen ihren Markt oder Teilmarkt im wahrsten Sinne des Wortes:
BMW …. Fahrfreude
Audi …. Technik
Tesla ….. Elektro
Google ….. Suche
YouTube ….. Video
iPhone ….. Smartphone
Ryanair …. Diskontfluglinie
Dr. Best ….. Nachgebend
Milka …. Zart
Nivea …. Pflege
Wagner Pizza ….. Steinofen
McDonald’s ….. Hamburger
Red Bull ….. Energydrink
Alpecin ….. Koffeinshampoo
Um dieses Prinzip zu testen, kann man es auch umdrehen. Sie denken an Suche im Internet, Sie denken an Google. Sie denken an Elektroauto. Sie denken an Tesla. Sie denken in Österreich an handgeschöpfte Schokolade. Sie denken an Zotter.
Klare Entscheidungshilfe
Nur damit haben Sie, wenn Ihre Marke eine klare Kernposition in der Wahrnehmung besitzt, auch eine klare Entscheidungshilfe, welche Themen Sie aktiv aufgreifen sollten oder welche auch nicht. Niemand erwartet von einer Marke, dass diese aktiv zu allem und jedem Stellung nimmt. Man sollte vielmehr immer überlegen, ob und wie dies zur eigenen Basispositionierung passt.
So zeigt etwa eine aktuelle Studie von Hype Collective, dass für gut jeden zweiten jungen Briten Stellungnahmen von Marken zu sozialen Problemen als zynisch und heuchlerisch wahrgenommen werden. Diese Umfrage wurde unter tausend Briten im Alter zwischen 18 und 24 Jahren durchgeführt. Insgesamt 59 Prozent bezweifeln dabei die Ehrlichkeit von Markenaussagen zu gesellschaftlichen Problemen wie etwa Rassismus.
Die gute Nachricht dabei: Jedoch ist dieser Mangel an Authentizität für 94 Prozent der Befragten noch kein Grund, eine Marke zu boykottieren. Die schlechte Nachricht aus Markensicht: Man hätte wahrscheinlich die eingesetzten Werbemittel aus Markensicht sehr viel besser verwenden können, um diese voll auf den Kern der Marke einzahlen zu lassen, statt die eigene Authentizität zu untergraben.
Fazit oder für die Marke eintreten
Wenn man sich aktuell viele Markenkampagnen ansieht, entsteht immer wieder der Eindruck, dass die Marke genutzt, benutzt oder sogar ausgenutzt wird, um zu aktuellen Themen Stellung zu beziehen. Hier sollten sich Marken- und Marketingverantwortliche aber immer und immer wieder die folgenden zwei Fragen stellen: (1) Besitzt unsere Marke aktuell wirklich die optimale Positionierung in der Wahrnehmung der Kunden? (2) Nutzen wir die eingesetzten Mittel wirklich bestmöglich im Sinne der Marke und des Marken- und Markterfolgs? Speziell vorsichtig sollte man aber sein, wenn man sich Marken wie Coca-Cola, McDonald’s oder Nike als Vorbild nimmt. Denn deren Kommunikationsmuster sollte man nur dann in der eigenen Branche nachahmen, wenn man selbst mindestens ähnlich stark in der Wahrnehmung der Kunden positioniert ist. Wenn nicht, sollte man sich zuerst einmal um die eigene Positionierung kümmern. Dies kann speziell in Zeiten wie diesen Sinn machen, wenn sich anscheinend alle anderen Marken um gesellschaftliche Themen kümmern (wollen).
Erschien im Original auf Horizont.net