Im Oktober 2018 schrieb ich folgende Zeilen an dieser Stelle: „Der Möbeldiskonter Möbelix hat seinen Marken- und Werbeauftritt überarbeitet. Das neue Logo und der Markenauftritt in Summe sind jetzt mit Sicherheit klarer, schöner, und das Ganze wirkt jetzt auch seriöser als zuvor. So wurde das bisherige dreifärbige Logo auf eine zentrale Farbe reduziert. Vor allem aber wurde, wie es aktuell aussieht, die Werbefigur Möbelix Man, eine Art „Superman-Verschnitt“ in Pension geschickt.“
Ähnlicher statt differenzierter
Dazu schrieb ich damals weiter: „Nur genau das könnte langfristig ein schwerer Fehler sein. So muss man immer wieder beobachten, dass sich Marken nach Marken-Redesigns ähnlicher werden. Ein wesentlicher Grund dafür ist sicher, dass man sich schlecht Designtrends verwehren kann.“
Als Fazit kam ich damals zu folgendem Schluss: „Mit dem Slogan „Kost‘ fast nix“ und dem „Möbelix-Man“ hatte Möbelix eine starke verbale und visuelle Positionierung. Beide spielten perfekt zusammen und hämmerten so die Führungsposition der Marke im Diskontsegment. Jetzt mag der neue Auftritt, schöner, moderner und weniger billig erscheinen, gleichzeitig wird er aber ohne Möbelix-Man auch austauschbarer. Und das ist aus Markensicht nie eine gute Idee!“
Branchenregeln einhalten oder brechen
Immer wieder geht es so auch bei meinen Projekten, egal ob für etablierte oder neue Marken um folgende zentrale Frage: „Sollen wir uns bei der Positionierung weitgehend an bestehende Branchenregeln halten oder sollten wir bewusst die bestehenden Branchenregeln brechen?“ Die hohe Kunst bei der Beantwortung dieser Frage liegt darin, dass man natürlich nicht alle Branchenregeln brechen darf und sollte. Entscheidend ist, dass man genau die richtigen Branchenregeln bricht, um selbst zu einer starken differenzierten Marke zu werden.
Nehmen Sie den Markt für Energydrinks! Als Dietrich Mateschitz 1987, also vor 35 Jahren Red Bull lancierte, setzte er auf eine klare verbale und visuelle Differenzierung. So war Red Bull verbal der erste Energydrink. Visuell setzte er auf die damals unbekannte kleine Slimdose mit nur 0,25 Liter Inhalt. (Gebräuchlich waren damals nur die größeren 0,33-, 0.35 und 0,5-Liter-Dosen.)
Was aber machten die ersten Herausforderer von Red Bull. Sie hielten sich an die Regeln, die Dietrich Mateschitz aufgestellt hatte: Sie lancierten ebenfalls einen Energydrink nach dem anderen. Sie setzen ebenfalls auf die kleinere Slimdose und sie setzen zudem auf eine extrem ähnliche Namensgebung wie Power Horse, Flying Horse, Dark Dog, Shark oder auch Blaue Sau.
Anders dann Hansen Natural. Als dieses kalifornische Unternehmen im Jahr 2002 den Energydrink Monster lancierte, setze man vor allem auf Differenzierung. Zuerst einmal setzte man auf eine große 0,5-Liter-Dose, die man zum selben Preis anbot wie Red Bull die kleinere 0,25-Liter-Dose. Damit hatte man auch eine starke verbale Idee für Heavy User wie etwa die Gamer-Community. Zudem setzte man auf keine weitere klassische Tierart wie Pferd, Hai, Hund oder Sau im Namen, sondern auf Monster, das man zudem mit den bekannten Krallen auf den großen 0,5-Liter-Dosen visualisierte. Heute ist Monster global der Herausforderer Nr. 1 von Red Bull.
Der nicht ungefährliche Wohlfühl-Faktor
Nur statt wie Monster auf Differenzierung, Differenzierung und Differenzierung zu setzen, sind viele Herausforderer dem Marktführer viel zu ähnlich. Das Problem dahinter oder – anders formuliert – die große Herausforderung dabei ist, dass man gegen den Herdentrieb, also das Prinzip der sozialen Bewährtheit ankämpft. In der Regel fühlt man sich wohler, wenn man sich an Regeln hält, wenn sich etwas gewohnt und damit irgendwie gewohnt richtig anfühlt.
Ganz anders sieht es aus, wenn man Regeln bricht. Das wirkt immer ungewohnt und damit anders und auch „gefährlich“. Nur eines ist klar: Wer erfolgreich Regeln bricht, stellt neue Regeln auf. Dies sollte man immer bedenken, bevor man sich vorschnell für das „Wohlfühlen“ entscheidet. So einfach in der Theorie, oft so schwer in der Praxis.
Folgender Satz passt zu Ihrem aktuellen Beitrag:
„Es ist wie beim Pferderennen. Die höchsten Quoten werden dort gezahlt, wo man nicht mit dem Strom schwimmt und auf erfolgreiche Außenseiter setzt. Und die laufen eben nicht bloß denen hinterher, die derzeit als die Besten gelten.“
Quelle: Buch „Das Summa Summarum des Management“, Gabler 2007, Seite 10
PS: Passt auch zur erwähnten Fallstudie Red Bull vs. Monster: Monster ist eben nicht bloß Red Bull hinterher gelaufen.