Im Herbst 2024 wird mein neues Buch „SIEGERMARKEN“ erscheinen. Dabei wird es nicht nur darum gehen, was Siegermarken vom Rest des Feldes generell unterscheidet, sondern vor allem auch darum, wie man aus der eigenen Marke eine Siegermarke macht. Ganz entscheidend dabei ist der mentale Kontext oder die mentale Ausgangslage. So muss ein Marktführer anders denken und handeln als ein Herausforderer, Mitläufer oder auch ein Start-up-Unternehmen.
5 Strategien im Kurzüberblick
Marktführer: Der Marktführer ist der einzige Marktteilnehmer, der in Summe für den Markt eintreten darf und sollte. Das heißt: Der Marktführer sollte auf der einen Seite klar die Themenführerschaft suchen, um den eigenen Markt in der Wahrnehmung der Kunden und am Markt relevanter und größer zu machen. Auf der anderen Seite sollte der Marktführer aber auch sicherstellen, dass die Kunden wissen, wer Marktführer ist und wer nicht. Das gilt sowohl verbal als auch visuell.
Nehmen Sie Sodastream! Diese Marke ist heute die klare Nummer 1 bei Wassersprudlern. Um diesen Markt wichtiger, größer und relevanter zu machen, stellt man sich in der Werbung auch klar gegen das übliche schwere Schleppen von Kisten. Diesen Weg sollte man konsequent fortsetzen. Was man aber vor allem in Zukunft zusätzlich noch viel stärker hervorheben sollte, ist die eigene Marktführerschaft. So heißt es etwa auf der Website: „Weltweit sprudeln bereits mehr als 14 Millionen Haushalte ihre Getränke mit SodaStream selbst.“ Genau diese Art von Botschaft sollte man auch in einem Slogan kreativ verpacken, um diesen dann in der Werbung und auch auf der Verpackung zu nutzen.
Herausforderer: Für Nummer 2- oder Nummer 3.Marken empfiehlt es sich, dass man das Gegenteil des Marktführers macht. So gibt es zu so gut wie jeder positiven Idee eine positive Gegenidee. Es geht also nicht darum, dass man den Marktführer schlecht macht, sondern, dass man den Kunden eine echte Alternative bietet.
Nehmen Sie Liquid Death! Diese Mineralwasser-Marke aus den USA wird nicht nur im Gegensatz zu herkömmlichen Mineralwasser-Marken aggressiv ähnlich wie ein Energydrink beworben, sie stellt sich auch klar gegen die führenden Wassermarken, die hauptsächlich in Kunststoffflaschen verkauft werden. Dazu heißt es auf der Website: „Plastic is not technically recyclable anymore because it is no longer profitable to recycle. Most recycling facilities simply send plastic to landfills because they would go out of business trying to recycle it. Environmental economists now say it is actually better for the planet to simply throw your plastic in the trash so that it requires less trucking to get it to the landfill. Sad stuff. But of all the aluminum produced since 1888, over 75% of it is still in current use. #DeathToPlastic“
Mitläufer: Mitläufer sollten, wenn es irgendwie möglich ist, eine neue Produkt- oder Dienstleistungskategorie finden oder erfinden, um selbst zuerst mental und dann tatsächlich zum Marktführer und Original zu werden. Dabei kann es enorm Sinn machen, die gewählte Kategorie aktiv gegen den bestehenden Markt zu positionieren.
Nehmen Sie Dr. Best! Trotz wenig positiver Marktforschungsergebnisse im Vorfeld lancierte SmithKline Beecham (heute GlaxoSmithKline) 1988 die erste nachgebende Zahnbürste unter der Marke Dr. Best. Damit teilte man – vor allem einmal mental gesehen – den Markt für Handzahnbürsten in zwei Teile. Auf einmal konnten die Kunden sich zwischen einer nachgebenden und mehreren starren Zahnbürsten-Marken entscheiden. Damit schuf Dr. Best nicht nur eine neue mentale Ordnung in der Wahrnehmung und im Gedächtnis der Kunden, man repositionierte zudem den starren Mitbewerb als gefährlich für Zahnfleisch und Zähne. Einen wesentlichen Beitrag dazu leistete das Schlüsselbild der Tomate. So stieg der Marktanteil von Dr. Best von 6 Prozent im Jahr 1988 auf über 40 Prozent im Jahr 2000 im deutschen Handzahnbürsten-Markt. Heute ist Dr. Best der klare Marktführer.
Nischenplayer: Für kleinere Marktteilnehmer geht es darum, eine Nische zu finden, die man zuerst mental und dann tatsächlich besetzen und dauerhaft dominieren kann.
Nehmen Sie Zotter! Mit der Idee „handgeschöpft“ fand diese Marke eine Nischenidee im Markt für Premiumschokolade. So suggeriert alleine dieses Wort „handgeschöpft“ gemeinsam mit dem höheren Preis auch eine höhere Qualitätseinschätzung. So klingt „handgeschöpft“ sogar noch hochwertiger als „handgemacht“.
Start-up: Je nach Ziel und vorhandenen Ressourcen sollte ein Start-up entweder wie ein Mitläufer oder wie ein Nischenplayer denken und handeln. Wo aber liegt jetzt der genaue Unterschied zwischen einer Mitläufer- und einer Nischenstrategie? Am Anfang sehen sich beide Strategien enorm ähnlich. Den Unterschied erkennt man später in der Wachstumsstrategie. Neue Kategorien, also die Strategie für Mitläufer haben in der Regel das Potenzial gegen die Mitte des Marktes zu wachsen. Bei der Nischenstrategie wiederum sollte man in der Regel in der eigenen Nische bleiben, um den eigenen mentalen und tatsächlichen Wettbewerbsvorteil nicht zu untergraben.
Nehmen Sie On Laufschuhe: 2010 in der Schweiz gegründet besitzt diese Marke heute die Idee und Kategorie „Laufschuhe mit Cloudtec-Sohle“. Am Anfang mag dies wie eine Nischenidee ausgesehen haben. Mittlerweile sehen aber mit Sicherheit auch Nike, Asics und Co. diese Kategorie und Marke als ernstzunehmenden Mitbewerb. 2023 macht die Marke weltweit einen Umsatz von 1,8 Milliarden Schweizer Franken, davon 1,7 Milliarden mit Laufschuhen.
Nie in Isolation sehen
Genau das bedeutet aber auch, dass man die eigene Marke nie, wirklich nie in Isolation sehen sollte. Vielmehr sollte man immer mit dem mentalen Kontext aus Kundensicht starten. Dabei kann es auch, wie bereits erwähnt, enorm Sinn machen, dass man bestehende Kategorien als „ungenügend“ repositioniert. Gleichzeitig steigt so auch die Chance, dass man wirklich einen Kontext zum bestehenden Alltagsleben der Kunden aufbaut.
Aber genau dabei sollten die Marken- und Unternehmensverantwortlichen unbedingt zwei Fehler oder Fallen in diesem mentalen Kontext vermeiden.
Der eine Fehler oder die eine Falle ist, dass man im mentalen Kontext die Bedeutung der eigenen Marke überschätzt und den Mitbewerb unterschätzt. Das führt nicht nur zu Arroganz, sondern leider immer wieder auch zu fatalen Fehlentscheidungen.
Der andere Fehler oder die andere Falle ist, dass man im mentalen Kontext den Faktor Zeit falsch einschätzt, vor allem aber, dass man so die Wichtigkeit der kumulativen Wirkung einer Marke für den kurz- und langfristigen Erfolg unterschätzt.
So gesehen kann man Markenführung auch als mentalen Kampf um die Gunst der Kunden definieren. Zwei Fragen dazu an Sie:
(1) Besitzt Ihre Marke im Sinne des Siegermarken-Konzepts die stärkstmögliche Position in der Wahrnehmung der Kunden?
(2) Und wird diese Position im Sinne des Siegermarken-Konzepts Tag für Tag bestmöglich fokussiert umgesetzt? Die Antworten auf diese beiden Fragen können den einen großen Unterschied zwischen Siegermarke und Verlierermarke ausmachen. So einfach in der Theorie, oft so schwer in der Praxis.
