Letzte Woche ist das neue Buch „The Strategic Enemy“ von Laura Ries in den USA erschienen. Darin geht es darum, wie man eine Marke baut und positioniert, für die es sich zu kämpfen lohnt. Das ist ein extrem wichtiger Gedanke, der gerne bei der Markenpositionierung vergessen wird. Es geht nicht nur darum, dass man eine Position findet. Es geht darum, dass man diese Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat und Jahr für Jahr wichtiger macht. Dazu vier Beispiele:
Sodastream (Der Feind „Das Schwereschleppen“)
Viele denken vielleicht spontan beim Begriff „Strategischer Feind“, dass es darum geht, einen Konkurrenten wie etwa beim „Dirty Campaigning“ in der Politik schlecht zu machen. Nur genau darum geht es bei diesem Konzept nicht. Es geht darum, einen mentalen Aufhänger zu finden, an dem die eigene Marke wachsen kann. Das kann natürlich der Mitbewerb sein, das kann aber auch eine Idee oder ein Konzept sein oder es kann auch eine Alltagstätigkeit sein.
Für Sodastream war dies etwa das schwere Kistenschleppen. Der Slogan „Einfach sprudeln, statt schwer schleppen!“ brachte diesen Ansatz nicht nur perfekt auf den Punkt, sondern positionierte Sodastream auch klar als den führenden Wassersprudler. So sollte man speziell auf drei Punkte achten, wenn man einen strategischen Feind für die eigene Marke auswählt:
(1) Der strategische Feind sollte groß sein und damit das mögliche Marktpotenzial widerspiegeln.
(2) Der strategische Feind sollte in den Augen der Kunden präsent und relevant sein.
(3) Der strategische Feind sollte sich nur schwer gegen die eigene Idee wehren können.
All diese drei Punkte treffen mit Sicherheit auf das schwere Kistenschleppen zu. Ad 1) Viele tun es. Ad 2) Viele tun es (bewusst) ungern und ärgern sich vielleicht sogar dabei. Ad 3) Die Getränkeindustrie, die in Flaschen abfüllt, kann dies auch nicht wirklich ändern.
Gustavo Gusto (Der Feind „herkömmliche Fertigpizza“)
Bei Gustavo Gusto wiederum wählte man die direkte Konkurrenz im Supermarkt als den einen strategischen Feind. So hieß es etwa in einem typischen Werbespot der Marke: „Wann hast Du das letzte Mal eine richtig gute Tiefkühlpizza gegessen? Von Hand geformt, auf Stein gebacken und nur mit hochwertigen Zutaten belegt. Wie? Noch nie! Dann wird’s aber Zeit. Gustavo Gusto. Die Premium-Tiefkühlpizza.“
Damit repositionierte man einmal den Mitbewerb subtil als weniger gut, bevor man dann die eigene Position als „Die Premium-Tiefkühlpizza“ etablierte. Wesentlich waren hier dann am Point of Sale drei Punkte, die das alles glaubwürdig machten: (1) Die großen Pizzaschachteln. (2) Die Botschaften auf den Pizzaschachteln wie „Eine echte Steinofenbarung“, „Wir nehmen nur Mozzarella, alles andere ist Käse“ oder „Die Salami ist vom Rind. Der Geschmack vom Feinsten“. (3) Der deutlich höhere Preis im Vergleich zum Mitbewerb.
Dacia (Der Feind „Statussymbole“)
Brillant in diesem Kontext des strategischen Feinds war auch die frühere Werbung von Dacia mit Fußballstar Mehmet Scholl. So zeigten die Spots klar auf, dass Dacia das Statussymbol für all jene war, die kein Statussymbol brauchten. Mit dieser Anti-Status- Positionierung, die so mit Scholl über 10 Jahre lief, etablierte man die Marke erfolgreich in Deutschland.
Aber auch hier der wesentliche Punkt: Man wurde so nicht als ein weiteres günstiges Auto wahrgenommen, sondern man schuf sich so eine mentale Sonderstellung unter den günstigen Automarken. Gleichzeitig zeigte man so sympathisch auf, dass nicht alle Menschen beim Thema Auto ein Statussymbol brauchen.
Dr. Best (Der erste Feind und der zweite Feind)
Dr. Best, eines meiner Lieblingsbeispiele für eine erfolgreiche Markenpositionierung, stieg mit dem strategischen Feind „starre Zahnbürste“ zum Marktführer bei Handzahnbürsten auf. Es war der perfekte Feind, um die Vorteile einer nachgebenden Zahnbürste für Zahnfleisch und Zähne zu positionieren.
Heute, als Marktführer hat man einen neuen strategischen Feind, nämlich „das zu seltene Wechseln der Zahnbürsten“. Jetzt ist also die alte Zahnbürste, die schon längst ausgewechselt werden müsste, der Feind. Das zeigt aber auch sehr schön, dass nicht nur der strategische Feind gewechselt werden kann und sollte, es zeigt vor allem auch, dass ein Marktführer anders denken und handeln sollte als ein Nicht-Marktführer. Als Herausforderer hat Dr. Best den „starren Status Quo“ erfolgreich repositioniert, jetzt als Marktführer versucht man den Markt in Summe durch häufigeres Wechseln der Zahnbürste größer zu machen.
Was Radeberger daraus lernen könnte
Wofür steht aktuell die Marke Radeberger? Wissen Sie warum, es gerade ein Radeberger Pilsener und kein anderes Bier sein sollte? Aktuell lautet der Slogan der Marke „Auf die Leidenschaft“. Aber gibt es wirklich eine „leidenschaftliche Bierposition“ in den Köpfen der Kunden? Und entsteht echte Markenemotion alleine dadurch, dass man versucht, die eigene Werbung zu emotionalisieren?
All diese Fragen sollte man sich neben einer anderen Frage bei Radeberger stellen und diese eine andere Frage lautet: „Wer könnte der eine strategische Feind von Radeberger sein?“ Meine Antwort aus Markensicht darauf: Die Vielzahl der deutschen Brauereien. So gibt es in Deutschland, auch wenn die Zahl rückläufig ist, weit über 1.000 Brauereien. Genau hier müsste man bei Radeberger ansetzen, um die eigene Pilsbier-Tradition in Relation zum Mitbewerb zu positionieren.
Fazit: Alleine die Frage nach dem strategischen Feind der eigenen Marke, kann einem in Strategiemeetings gänzlich neue Perspektiven für die eigene Marke und die eigene Markenpositionierung aufzeigen. Und genau das kann den großen Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg ausmachen.
