Parteien sind (keine) Marken oder eine Frage der Definition

Deutschland steht mitten im Wahlkampf-Endspurt. Genau in der Phase erklärte Linken-Manager Jörg Schindler im Horizont 33/34: „Parteien sind keine Marken, zumindest nicht im herkömmlichen Sinne.“ Damit stellt sich aber generell die Frage, was eine Marke ist, wo und wie eine Marke entsteht und wie man diese baut und führt. Erst dann sollte man klarlegen, ob eine Partei Marke im herkömmlichen Sinne ist oder auch nicht. Dabei macht es Sinn, dass man einen historischen Ausflug macht.

Die Evolution des Markenbegriffs im Marketing

Vor 61 Jahren revolutionierte oder besser strukturierte E. Jerome McCarthy das Marketing mit seinen 4 Ps: Product, Price, Place und Promotion. Damals wurde Marke im Sinne von Branding als Teil der Produktpolitik gesehen. Im Speziellen ging es dabei um die Namensgebung und das Design, hier vor allem um das Verpackungsdesign. Zudem wurde damals der Begriff Marke ganz klar mit dem klassischen Markenartikel verbunden. Man dachte an Marke, man dachte an teure Werbung und die sogenannten FMCGs (Fast Moving Consumer Goods), also an Marken wie Coca-Cola, Nivea, Persil, Milka oder Gillette.

Heute sieht die Welt ganz anders aus. Marke hat sich zu einer Art „Parallelwissenschaft“ zum Marketing entwickelt. Mehr noch: Wenn man Marke als Teil der strategischen Unternehmensführung sieht, dann ist Marketing auf einmal ein Teilaspekt der strategischen Markenführung, in dem es darum geht, dass man die vier Ps klar im Sinne der übergeordneten Markenpositionierung ausrichtet. Das heißt: Die Marke wird zur Richtschnur für das Marketing.

Gleichzeitig hat sich die Marke auch immer neue Bereiche erobert. Damit ist man auch klar dem doch sehr engen Begriff des klassischen Markenartikels entwachsen. So beschäftigt sich Marke oder Markentechnik heute neben Produkten mittlerweile mit Dienstleistungen, Städten, Ländern, Events, Organisationen, Bewegungen, Programmen, Parteien, Personen, Ideen und Konzepten.

Marke als Name mit Bedeutung

Wie aber kann man dann Marke definieren? Im breitesten Sinne ist eine Marke somit ein Eigenname, der in den Köpfen der Kunden eine spezifische Bedeutung hat. Sie denken an Suche im Internet. Sie denken an Google. Sie denken an Elektroauto. Sie denken an Tesla. Sie denken an Energydrink. Sie denken an Red Bull. Sie denken an Smartphone. Sie denken an das iPhone von Apple. Je stärker diese Art der Zuordnung ist, desto stärker ist auch die Marke.

So gesehen brauchen Marken auch zwei Namen, nämlich einen spezifischen Markennamen, der schutzfähig sein sollte, und einen generischen Kategorienamen, an dem die Marke im Gehirn festgemacht wird. Im Falle von Red Bull ist der generische nicht schutzfähige Kategoriename „Energydrink“, der spezifische schutzfähige Markenname „Red Bull“.

Dieses Prinzip gilt nicht nur für Marken. Es gilt für jede und jeden, der nachhaltig einen bleibenden Eindruck in den Köpfen der Kunden oder auch der Menschheit hinterlassen möchte. Nehmen Sie die Kategorie „Entdeckung Amerikas“! Diese besitzt Christoph Kolumbus. Nehmen Sie die Kategorie „Erstbesteigung des Mount Everest“. Diese besitzt Sir Edmund Hillary. Nehmen Sie die Kategorie „erste Mondlandung“. Diese besitzt Neil Armstrong. Andy Warhol wiederum besitzt „Pop-Art“, Elvis Presley „King of Rock’n’Roll oder Albert Einstein die „Relativitätstheorie“.

First Mover versus First Minder

Dabei darf man aber einen wichtigen Punkt nicht übersehen. Es geht nicht um die Kategorie alleine. Entscheidend ist, wer die Kategorie in der Wahrnehmung und im Gedächtnis der Kunden besitzt. Nehmen wir dazu noch einmal die Entdeckung Amerikas. Heute wissen wir, dass die Wikinger bereits um das Jahr 1000 Amerika entdeckt hatten. Sie waren die echten Pioniere. Nur vergaßen sie die Geschichtsschreibung mitzunehmen. Heute würden wir sagen, dass sie auf PR und Werbung vergaßen. Erst damit war der Weg für Kolumbus frei, um offiziell die neue Welt zu entdecken.

Was die Wikinger beruhigen mag, ist, dass sie nicht allein sind. So gibt es viele Pioniere in der Markenwelt, die ein ähnliches Schicksal teilen. Nehmen Sie den Markt für MP3-Player: Der erste MP3-Player mit Harddisc war der iPod von Apple. Richtig? Falsch! Denn bereits 21 Monate vor dem iPod führte das Unternehmen Creative Technology den ersten MP3-Player mit Harddisc unter dem Produktnamen Creative Nomad Jukebox ein. Aber es nützt – aus Markensicht – wenig, wenn man es mit einem Produkt in die Regale des Han-dels, aber nicht in die Wahrnehmung der Kunden schafft.

Damit war der Weg für Steve Jobs frei, um diese Kategorie gemeinsam mit dem Namen iPod in der Wahrnehmung der Kunden zu besetzen. Er hatte nicht nur mit Abstand das bessere Marketing und den besseren Slogan (1000 Songs in Your Pocket), auch der Name iPod war und ist bedeutend einfacher zu merken als ein Namensungetüm wie Creative Nomad Jukebox. Das heißt aber auch: Der berühmte First-Mover-Advantage allein ist zu wenig. Entscheidend ist letztendlich der First-Minder-Advantage. So gesehen war es auch für Tesla bedeutungslos, dass der Nissan Leaf über Jahre das meistverkaufte Elektroauto dieser Erde war. In der Wahrnehmung der Kunden war dies immer Tesla.

Partei als Marke: Gemeinsamkeit und großer Unterschied

Das heißt aber auch: Entscheidend für eine Marke ist letztendlich, welche konkrete Bedeutung der Name in der Wahrnehmung der Kunden hat. So gesehen macht es sehr wohl Sinn, dass man auch Parteien und deren Spitzenkandidaten wie Marken sieht und dementsprechend handelt. Denn welche Partei möchte nicht, dass sowohl der eigene Parteiname als auch der eigene Spitzenkandidat jeweils eine starke Position in der Wahrnehmung der Kunden besitzen.

Dabei darf man aber dann vor lauter „Markendenke“ einen großen Unterschied nicht übersehen. Während Marken normalerweise so gut wie jeden Tag im Wettbewerb um die Kundengunst und damit um Marktanteile stehen, geht es bei Parteimarken in der Regel so gut wie immer um einen Stichtag, nämlich den Wahltag. Dies zeigt sich auch aktuell in Deutschland in den Umfragen. Lag die CDU/CSU über Jahre bei Wahlumfragen an erster Stelle, liegt man jetzt auf einmal knapp vor dem Wahltag hinter der SPD zurück. Anders ausgedrückt: Die Umfragewerte über Jahre sind wertlos, wenn man diese am Wahltag nicht einfahren kann. So gesehen sind die zwei Schlüsselfaktoren aus Markensicht zum Wahlerfolg: Strategie und Timing.

Erschien im Original auf Horizont.net

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