Strategische Markenentscheidungen, die das gesamte Unternehmen beeinflussen, sind nie einfach zu treffen. Das gilt ganz besonders für Mehr-Marken-Systeme, wenn es entweder darum geht, eine neue Marke einzuführen oder eine bestehende Marke zu eliminieren. So gesehen hätte Rewe International Vorstand Marcel Haraszti in der Antike wahrscheinlich das Orakel von Delphi aufgesucht, bevor er die Marke Merkur in Billa Plus umgetauft hätte. Die Antwort des Orakels hätte dabei so gelautet: „Wenn Sie dies tun, werden Sie einer starken Marke endgültig zur Marktführerschaft verhelfen.“
Das schleichende Ende von Merkur
Um diese Antwort besser zu verstehen, sollte man noch einmal einen Blick auf die Geschichte von Merkur werfen. Die Marke wurde 1969 als Verbrauchermarkt gegründet, um damit die Supermarkt-Marke Billa perfekt zu ergänzen. Aber Merkur gelang es dabei nicht nur mit Größe und Preis zu punkten, mit der Einführung der Werbefigur Ano Nym schuf man sich zudem eine einzigartige Qualitätspositionierung im Lebensmitteleinzelhandel.
Nur im härteren Preiskampf verlor man bei Merkur selbst anscheinend immer mehr Vertrauen in die Positionierungskraft des Ano Nyms. Bereits 2009 hieß es dazu in der April-Ausgabe von Cash: „Ano Nym reloaded“. Dabei wurde aus dem guten, alten Ano Nym eine Art „James Bond“-Verschnitt, sicher dynamischer, aber auch weniger glaubwürdig. Im Januar 2010 musste dann Ano Nym erstmalig zudem dem Merkur Preissturz Platz machen. Am 14. November 2014 verkündete dann eine österreichische Tageszeitung: „Merkur schickt Ano Nym nach 27 Jahren in Pension“. Gleichzeitig erklärte das damalige Merkur Management, dass ein strenger, schwarzer Mann, der alles auf Qualität prüft, nicht mehr mit dem Markenkern vereinbar sei.
Die brutale Wahrheit aus Markensicht: Damit verabschiedete man sich selbst vom Markenkern und läutete zudem schleichend das Ende der Marke ein. Mit dem Claim „So macht man sich Freunde“, löste Fränz dann Ano Nym ab. Nur konnte diese neue Werbefigur nie die Kraft von Ano Nym entwickeln. So lag 2019 der frühere Langzeitspitzenreiter Merkur laut Kantar Info Research Österreich im Gesamtranking der Lebensmitteleinzelhändler bereits hinter Hofer, Spar/Eurospar, Interspar und sogar Lidl.
Die neue Runde Billa versus Spar
So gesehen stand man bei Rewe sicher vor zwei Möglichkeiten: (1) Man repositioniert Merkur erneut, um wieder zu alter Stärke zu finden. (2) Man bündelt die Kräfte intern und extern auf die Marke Billa, umso fokussierter gegen das Trio Interspar, Eurospar und Spar im Kampf um die Marktführerschaft anzutreten. Aus dieser Perspektive betrachtet, war die aktuelle Entscheidung letztendlich die logische Konsequenz nach Jahren der Merkur-Markenbastelei.
Nur wird diese alleine nicht genügen. Entscheidend wird jetzt sein, dass Billa gemeinsam mit Big Billa, Billa Plus und Billa Corso wieder als Themenführer im Lebensmitteleinzelhandel wahrgenommen wird. Diese Rolle hatte und hat seit Jahren Spar vor allem auch in der Person des früheren Sparchefs Gerhard Drexel inne. Das heißt: Man muss aus Sicht von Billa eine neue Runde des Wettbewerbs einläuten.
Der fehlende „Eurospar“
Aber in diesem Duell um die Spitze hat Billa aktuell einen gravierenden Nachteil, denn Big Billa hatte und hat nicht die Bedeutung und Kraft von Eurospar. So macht es etwa – vor allem regional gesehen – einen großen Unterschied, ob man einen bestehenden Sparmarkt einfach renoviert und vergrößert oder in einen Eurospar umwandelt. Spar hat mit Eurospar eine perfekte Markensperrspitze in der Mitte des Marktes. Genau diese fehlt Billa. Aus dieser Warte betrachtet könnte die oben genannte „Orakel-Prophezeiung“ auch bedeuten, dass die Rewe jetzt der großen Marke Spar zur endgültigen Marktführerschaft verholfen hat. Heißt: Es wird nicht reichen, dass man Merkur in Billa Plus umtauft, wenn es dann nicht gelingt Billa in der Mitte des Marktes wieder als Themen- und Marktführer zu positionieren. Die Zukunft wird es zeigen.
Erschien im Original auf Cash.at
Sehr geehrter Herr Brandtner, vielen Dank für Ihre Analyse. Ganz ehrlich, mir blutet das Herz! Ich war von 1995 bis 1998 und von 2005 bis 2013 für die Marke MERKUR verantwortlich. Erst als Werbe- und Marketingleiterin und später als Marketingdirektorin. Es gibt nicht viele Menschen die diese Marke, die Entwicklung von MERKUR und viele Studien zu dieser Marke so gut kennen wie ich. Fazit: MERKUR war viele Jahre Qualitätsführer und Trendsetter in Österreich. Aufgrund dieser Positionierung litt MERKUR auch immer wieder am Image teurer als andere Anbieter zu sein. Deshalb erfand man 2005 die MERKUR Tiefpreislatte. Dieses Preistool stand für wirklich kleine Preise und gute Qualität. Daher auch die Möglichkeit Markenprodukte abzubilden (in der Ano Nym Qualitätskampagne kamen keine Markenartikel vor, nur frische Produkte oder Eigenmarken). 2014 erfolgte dann der Vorstandswechsel inkl. neuer Marketingleitung. Der Rest ist Geschichte …. Ich werde die Entwicklung von BILLA Plus mit Spannung verfolgen ;-))
Sehr geehrte Frau Bodner, vielen Dank für diesen Kommentar und Ihre persönlichen Worte!! Beste Grüße Michael Brandtner
Ich kann Frau Bodner nur beipflichten!!!