Das „Comeback“ von Nokia oder ein Rückblick in das Jahr 2011

Vor genau 10 Jahren schrieb ich an dieser Stelle einen Blog-Beitrag mit dem Titel: „Das Comeback von Nokia oder doch nicht“. In der WirtschaftsWoche vom 24. Oktober 2011 hieß es damals: „Der angeschlagene Mobilfunkriese aus Finnland will mit dem ersten Windows-Handy die Wende einleiten. Die Reaktionen von Testern und Großkunden auf das noch geheime neue Smartphone zeigen: Die Chancen stehen gut.“ Am darauf folgenden Mittwoch präsentierte Nokia dann das Nokia Lumia, das erste Smartphone aus dem Hause Nokia mit dem damals auch neuen Betriebssystem Windows Phone.

Die Management- versus die Kundensicht

Aus Managementsicht von Nokia mag damals alles perfekt gewesen sein: Man hatte zwei sehr bekannte Markennamen (Nokia und Microsoft) mit einem sehr guten Produkt ins Rennen geschickt. Aus Sicht der Kundenwahrnehmung sah das Ganze etwas anders aus. So stellte ich damals bereits vor 10 Jahren in meinem Blog-Beitrag folgende Frage: „Warum soll man als Kunde ein Smartphone von einem Handy-Erzeuger kaufen, der auf ein PC-Betriebssystem setzt?“

Das ist generell ein großes Problem: Auf dem Strategiepapier und der Powerpoint-Präsentation im 25. Stockwerk des Managementgebäudes sehen viele Strategien toll aus und lassen sich rational auch schön begründen. Leider scheitern viele dieser Strategien dann auf der Straße, wo Kunden emotional entscheiden. Speziell in diesem Fall gab es drei große Problemfelder aus Markensicht, die ich in meinem Beitrag damals beleuchtete.

Drei Problemfelder aus Markensicht

Problemfeld 1: Gute Produkte reichen nicht. Aus Sicht des Nokia-Managements war das Lumia sicher ein sehr gutes Produkt. Das Nachfolgemodell Lumia 920 wurde im Frühjahr 2013 sogar als „„Das beste Business-Smartphone der Welt“ vorgestellt. Nur gute oder auch bessere Produkte reichen nicht, wenn man im mentalen Schatten starker Marktführer wie iPhone und Samsung Galaxy steht. Hier hätte Nokia eine neue Kategorie von Smartphone entwickeln müssen.

Problemfeld 2: Die Marke Nokia Lumia. Als Apple 2007 das iPhone einführte lag Nokia mit einem Markenwert von 33,7 Milliarden US-Dollar laut Interbrand klar vor Apple (Platz 33, 11 Milliarden) und Samsung (Platz 21, 16,9 Milliarden). Noch im Jahr 2010 lag Nokia auf Platz 8 vor Apple (Platz 17) und Samsung (Platz 19). 2011 wurde dann Nokia – trotz der Einführung des Nokia Lumia 800 – von Apple und 2012 dann auch von Samsung überholt.

Das Problem: Nokia stand und steht in der Wahrnehmung der Kunden für klassisches Mobiltelefon, also für die Vergangenheit. iPhone und Samsung Galaxy standen und stehen für Smartphone, also für die Zukunft. Das spiegelte sich dann auch zeitversetzt in den Markenwerten wider. Im Jahr 2013 lag Nokia nur mehr auf Platz 57, während sich Apple (Platz 1) und Samsung (Platz 8) in den Top 10 festsetzen. 2014 lag Nokia dann nur mehr auf Platz 98, um dann 2015 komplett aus den Top 100 zu verschwinden. Das heißt: Der Name Nokia war so gesehen im  Smartphone-Markt mehr Ballast als Chance. Zudem war der Produktname Lumia viel zu schwach, um eine eigene Identität zu entwickeln.

Problemfeld 3: Die Marke Microsoft Windows. Auch Microsoft gehörte 2011, wie auch heute zu den wertvollsten globalen Marken laut Interbrand. So lag man 2011 wie auch 2021 auf Platz 3 in diesem Ranking. Nur stand auch die Marke Microsoft in diesem Kontext für das Falsche, nämlich für PC-Betriebssystem und nicht für Smartphone-Betriebssystem. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass man damals den Namen von Windows Mobile auf Windows Phone verändert hatte.

Daran änderte sich selbst dann nichts, als Microsoft die Handysparte von Nokia übernahm. So vermeldete die FAZ am 3. September 2013: „MILLIARDEN-GESCHÄFT: Microsoft kauft Handysparte von Nokia“. Endgültig vollzogen wurde dann dieser Deal im April 2014. Am 9. Juli 2015 hieß es dann in der österreichischen Tageszeitung Die Presse: „Microsoft und das Milliardengrab Nokia: Das Ende der Hardware-Sparte wird bei Microsoft eingeläutet. 7800 Kündigungen und über 7,6 Milliarden Dollar Abschreibungen. Die Nokia-Übernahme hinterlässt tiefe Wunden.“

Der Erfolgs- oder auch Misserfolgsfaktor „Markenwahrnehmung“

Marken funktionieren oder funktionieren auch nicht in der Wahrnehmung und im Gedächtnis der Kunden. Dabei kann eine Marke in einem Bereich als Top of Mind wahrgenommen werden, während dieselbe Marke in anderen Bereich maximal als schwacher Mitläufer wahrgenommen wird. Nehmen Sie Coca-Cola! Im Cola-Markt ist Coke unbestritten die Nummer 1. Im Energydrink-Markt ist Coca-Cola Energy maximal ein Mitläufer, der in den USA bereits wieder eingestellt wurde. Der entscheidende Punkt, der zu vielen, vielen Fehlentscheidungen führt, ist, dass viele Manager die Macht ihrer gut eingeführten, sehr bekannten und sehr wertvollen Marke in neuen Märkten und Geschäftsfeldern massiv überschätzen, und gleichzeitig, die Macht von anderen Marken, vor allem auch von neuen Marken massiv unterschätzen.

PS dazu: Dies gilt ganz speziell in den sogenannten disruptiven Märkten.

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