Am 27. Juli hieß es auf Horizont.net: „Das ist der komplett erneuerte Auftritt von Milka“. Und weiter: „Die Marktführerin unter den Tafelschokoladen will mit neuer Rezeptur und neuem Look neue Kunden gewinnen.“ Jede Veränderung und damit auch jeder Markenrelaunch bergen natürlich Chancen und Risiken. Dessen ist man sich auch bei Milka bewusst.
So wird Bert Kriewolt, Senior Director Marketing Chocolate Activation DACH bei Mondelez dann auch so zitiert: „Veränderung ist für Menschen nicht immer ganz einfach und das gilt sicher ganz besonders für die Lieblingsschokolade. Es wird also wahrscheinlich den einen oder die andere geben, die gerne lieber die alte Rezeptur behalten möchte. Aber wir werden hoffentlich viele der Skeptiker überzeugen, die neue Rezeptur zu testen und sich vom Geschmack begeistern zu lassen.“ So gesehen ist aus Kundensicht die Geschmacksveränderung das größte Risiko. Aus Marken- und Designsicht wiederum ist das Risiko der Veränderung extrem gering, da der Lila-Gesamteindruck klar erhalten bleibt. Trotzdem gibt es gerade hier zwei echte Kritikpunkte, einen verbalen und einen visuellen:
(1) Der große verbale Kritikpunkt
Eine Verpackung muss heute viel mehr erfüllen als ihre Basisfunktionen, wie etwa die Behältnisfunktion (Transport- und Lagerfähigkeit), die Schutzfunktion oder die Gebrauchsunterstützungsfunktion. Die Verpackung ist heute ganz klar auch ein wesentlicher Teil der Markenkommunikation. Das hat zwei Gründe:
(1) Es ist eine „Gratiswerbefläche“, die leider immer noch von vielen Markenverantwortlichen und wahrscheinlich auch von vielen Werbe- und Designagenturen sträflich unterschätzt wird. Nur so kann man sich erklären, warum so viele Verpackungen in der Menge der Verpackungen einfach untergehen.
(2) Da immer mehr Kaufentscheidungen, wie auch Studien immer wieder zeigen, erst am Point of Sale getroffen werden, gewinnt genau diese „Gratiswerbefläche“ natürlich massiv an Bedeutung. So war und ist eine ganz große Stärke von Milka die visuelle Marktführerschaft am Point of Sale.
Der Lila-Block in den Regalen ist unübersehbar. Dagegen wirken andere Marken visuell kleiner und damit auch unbedeutender. Mit dem Relaunch hat man bei Milka zudem erkannt, dass man in jeder Ecke einen „USP“ unterbringen kann. So findet man jetzt folgende verbale Botschaften: (1) Jetzt noch schokoladiger, (2) 100% Alpenmilch/Schokolade, (3) Nachhaltig angebauter Kakao und (4) Alpenmilch/Alpine Milk.
Wahrscheinlich hat man die Alpenmilch verbal zweimal auf die Verpackung gegeben, damit wirklich in der jeder Ecke eine Botschaft ist. Nur dabei dürfte man die wichtigste Botschaft – aus welchen Gründen auch immer – übersehen oder einfach vergessen haben. Es fehlt nämlich das Wort „zart“ und damit auch Positionierung und Slogan.
(2) Der große visuelle Kritikpunkt
Kaufentscheidungen fallen – wie wir wissen – in der Regel nicht nur rational, sondern vor allem auch emotional. Genau hier spielen Bilder eine große Rolle. Nehmen Sie etwa ein Baby. Das geschriebene Wort „Baby“ löst mit Sicherheit nicht dieselben Emotionen in unserem Gehirn aus, wie das Bild von einem Baby. Dazu kommt, dass das Lesen für unser Gehirn schwieriger und aufwendiger ist als das Sehen. So sind Buchstaben einmal zuerst Bilder, die wir in unserem Gehirn vertonen müssen.
So gesehen dürfte es keine gute Idee sein, dass man das das Bild der Alpenlandschaft durch die zwei sehr ähnlichen verbalen Botschaften „100% Alpenmilch/Schokolade“ und „Alpenmilch/Alpine Milk“ ersetzt hat. Das eine, nämlich das Bild hat spontan und subtil in unserem Gehirn funktioniert und uns visuell emotional in die Alpenwelt entführt, das andere, nämlich der Text erfordert jetzt, dass wir aktiv die beiden Botschaften lesen müssen, um an die Alpen zu denken bzw. um die gelernte Alpenbotschaft zu verstärken. (Und wie oft haben Sie in letzter Zeit alle Botschaften auf einer Verpackung gelesen?)
Das ist mit Sicherheit alles andere als eine gute Idee. Hier wäre es sicher interessant, die Qualitätswahrnehmung durch die Kunden heute und dann noch einmal in ein paar Jahren einmal mit Bild und Text und einmal nur mit Text abzutesten. Auf alle Fälle besteht hier die Gefahr, dass man die eigene Qualitätswahrnehmung nachhaltig schwächt und schwächen wird. (So können speziell kleine Kinder in der Regel noch nicht lesen, aber sehr wohl Berge als Bild erkennen.)
Sanftes Nachschärfen
So gesehen hat man bei Milka sicher das Mindestmaß an Markenpflicht erfüllt. Der lila Gesamteindruck und auch die lila Kuh blieben und bleiben uns erhalten. Nur aus verbaler Sicht sollte man aber unbedingt überlegen, ob man nicht doch noch statt „Jetzt noch schokoladiger“ oder statt einer der zwei verbalen Alpenmilch-Botschaft die zarte Positionierung bzw. gleich den Slogan auch auf der Verpackung mitkommuniziert. Das Bild der Alpenlandschaft sollte man aber unbedingt wieder einführen, da Bilder sofort emotional in unserem Gehirn wirken und sofort visuell auch verbale Botschaft verstärken. So wird wahrscheinlich auch die lila Kuh auf der Verpackung ihre Alpenlandschaft vermissen.