In vielen Marken-Workshops mit diversen Agenturen und Beratern geht es immer und immer wieder um Attribute und Eigenschaften, um Werte und natürlich um Kundennutzen. Je nach Modell oder Herangehensweise werden dann jeweils drei, fünf oder sogar mehr Begriffe definiert und dann oft im Sinne des Markenkerns oder der Markenpositionierung wieder auf einen Begriff reduziert. Das Ergebnis ist in der Regel ein mehr oder weniger umfangreiches Markenstatement, das dann wieder in vielen Fällen auch die Basisunterlage für das Agenturbriefing ist. So weit. So gut.
Der Nächste bitte oder …
Wenn das Ganze aber dann nicht den erwünschten Erfolg erzielt, wird diese Übung mit einer anderen Agentur oder einem anderen Berater wiederholt. Ein typisches Beispiel dafür dürfte Opel sein. So hat man in den letzten 25 Jahren immer wieder verschiedene Markenwerte kommuniziert, die sich dann auch in diversen Slogans und Werbeauftritten widergespiegelt haben.
So hieß es einmal, dass Opel für Qualität, Kreativität, Vielseitigkeit, Dynamik und Partnerschaft stehe. In weiterer Folge reduzierte man dann diese fünf Werte auf die folgenden drei: bezahlbare Nutzeninnovationen, zukunftsorientiertes Design und Rolle der Mitte in unserer Gesellschaft. In der Ära von Tina Müller definierte sich Opel dann über „deutsche Ingenieurskunst“, „emotionales Design“, „digitale Vernetzung“ und „Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis“. Daraus wurde dann, dass die Marke für deutsch, nahbar und begeisternd stehe. Aktuell fallen gemeinsam mit der Marke immer wieder folgende Werte, nämlich deutsche Markenqualität und Präzision, Offenheit und Menschlichkeit sowie jugendliche Dynamik.
Zudem hatte man in den letzten Jahrzehnten jede Menge an Slogans wie etwa „Technik, die begeistert“, „Wir haben verstanden“, „Bessere Autos für eine bessere Umwelt“, „Frisches Denken für bessere Autos“, „Entdecke Opel“, „Autos zum Leben“, „Die Zukunft gehört allen“ oder „Geboren in Deutschland. Gebaut für uns alle“. Dazu kam dann noch die „Umparken im Kopf“-Kampagne.
… der große übersehene Punkt
Was in diesem Kontext gerne übersehen wird, ist, dass es einen großen Unterschied macht, ob man diese Markenwerte-Übung mit einem starken wahrgenommenen Marktführer oder mit einem Nicht-Marktführer macht, der im Schatten eines starken wahrgenommenen Marktführers steht. Dabei lautet die einfache Kernerkenntnis: Für einen starken wahrgenommenen Marktführer funktioniert so gut wie alles. Für einen Nicht-Marktführer, der im Schatten eines starken wahrgenommenen Marktführers steht, funktioniert so gut wie fast gar nichts.
Bleiben wir bei Opel! Das Hauptproblem von Opel ist mit Sicherheit nicht, dass man die falschen Werte, Eigenschaften oder Nutzen jeweils definiert hat. So macht es aus Kundensicht wenig Unterschied, ob man einmal auf die Kernwerte Qualität, Kreativität, Vielseitigkeit, Dynamik und Partnerschaft oder auf die Kernwerte deutsch, nahbar und begeisternd oder auf die Kernwerte deutsche Markenqualität und Präzision, Offenheit und Menschlichkeit sowie jugendliche Dynamik setzt. (Im Endeffekt haben die meisten Menschen von diesen Werten nie etwas mitbekommen, geschweige denn diese Werte jemals mit Opel wirklich verbunden.)
Das (weiterhin ungelöste) Hauptproblem von Opel war und ist, dass man im mentalen Schatten von VW steht, dass man nur als maximal weitere gute Automobilmarke wahrgenommen wird. (Frage an Sie: Haben Sie aufgrund dieser oben genannten häufig geänderten Werte und Eigenschaften, den diversen Slogans und Kampagnen jeweils Ihre Meinung über Opel grundlegend verändert? Weitere Fragen dazu: Haben Sie diese Werte überhaupt gekannt? Und hätten Sie überhaupt die Zeit, die vielen Markenwerte diverser Marken zu lernen, die man Ihnen gerne aufs Auge oder ins Gehirn drücken möchte?)
Die eigene Markt- und Themenführerschaft definieren
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch! Markenwerte sind wichtig, um Marken strategisch und operativ nach außen und innen in die Zukunft zu führen. Nur bevor man die eigenen Markenwerte definiert, sollte man zuerst sicherstellen, dass man eine eigene Führungsposition in den Köpfen der Kunden hat. Das heißt: Man sollte mit der Positionierung mit dem klaren Ziel einer eigenen Spitzenstellung starten. Erst dann gilt es die Werte zu definieren, die sicherstellen, dass die Marke im Sinne dieser Führungsposition nach außen und innen in die Zukunft geführt wird.
Nur leider läuft es in der Praxis oft genau umgekehrt ab. Zuerst werden die Markenattribute, Markenwerte und Markennutzen gemeinsam entwickelt und abgeleitet, dann versucht man diese Ansammlung an rationalen und emotionalen Begriffen (verzweifelt) in eine Positionierung zu verdichten und zu übersetzen. Nur genau das endet, wie oben erwähnten, in oft endlosen Versuchen, die eigene Marke auf den Punkt zu bringen. Schade! Viele Marken verkaufen sich so nicht nur dauerhaft unter ihrem möglichen Wert und Potenzial, sondern verschenken auch jede Menge Zeit, Energie und Geld.

Aktuelle Radiowerbung bei uns in Benelux für Opel?
„Opel – l’excellence allemande“!
Zu hören auf allen Radiostationen.
Opel ist bekanntlich eine der vielen Tochtermarken von Stellantis, neben Citroën, Peugeot, Fiat, Lancia, Chrysler, Jeep, etc.
Stellantis scheint eine ‚Positioning Map‘ (Positionierungs-Landkarte) zu haben, in welche die einzelnen Marken eingeordnet werden.
Opel wird also mit „deutscher Exzellenz“ positioniert.
Somit alles richtig gemacht?
Danke für die Ergänzung!
Entscheidend ist nicht die Positionierung auf dem Papier oder in/auf einer Positioning-Map. Entscheidend ist, ob die angestrebte Positionierung mit dem Vorwissen der Kunden in Einklang zu bringen ist. Da habe ich meine Zweifel bei einer Positionierung wie „deutsche Exzellenz“ für Opel. Das ist mehr Wunschdenken des Managements als klare Positionierung. Oder wer denkt bei „deutscher Exzellenz“ spontan an Opel?