Die wichtigste Eigenschaft von Mehr-Marken-Systemen oder die Zukunft schaffen

Starke Marktführer sollten, um ihre Marktführerschaft dauerhaft abzusichern und auszubauen, nicht auf eine, sondern auf mehrere Marken setzen. Dies gilt ganz besonders für Marken in Märkten, die disruptiven Innovationen oder auch Moden unterliegen.

Grundsätze beachten

Dabei, also beim Aufbau eines solchen Mehr-Marken-Systems sollte man aber, damit dieses auch langfristig funktioniert, unbedingt folgende fünf Grundsätze beachten:

(1) Da es um Marktdominanz geht, ist die Fokussierung auf eine Produkt- oder auch Dienstleistungskategorie erforderlich. Das kann Mode sein, das können Autos, Fluglinien, Kaugummi oder auch Suchmaschinen sein. So passen etwa die Marken YouTube und Google unter dem Dach von Alphabet perfekt zusammen. Beide Marken sind Suchmaschinen. Beide Marken dominieren jeweils ihren Teilmarkt.

(2) Damit es möglichst wenige Überschneidungen zwischen den Marken gibt, sollte man unbedingt ein Schlüsselmerkmal auswählen, das sich einfach segmentieren lässt. Ideal dazu ist etwa der Preis, es kann aber auch das Geschlecht, ein spezifisches Attribut, der Geschmack, die Inhaltsstoffe oder auch der Vertriebsweg sein. Wichtig ist, dass es eine klare, nachvollziehbare Unterteilung gibt.

(3) Ergänzend dazu, um Überschneidungen zu vermeiden, sollten Sie unbedingt auch unterschiedliche Markennamen wählen. So war und ist das Namensgebungssystem von Apple mit iPod, iTunes, iPhone und iPad eine absolute Gratwanderung. Für Apple mag das funktionieren, für Unternehmen, die nicht diese Art von Aufmerksamkeit genießen, wäre das weniger oder besser gar nicht empfehlenswert.

(4) Lancieren Sie eine zweite, dritte oder auch vierte Marke nur dann, wenn diese auch wirklich die Chance auf Marktdominanz hat. Viele Mehr-Marken-Systeme funktionieren deshalb nicht, weil die zweite Marke viel zu spät lanciert wurde. Microsoft hätte Bing viel, viel früher lancieren müssen, wenn man damit eine Chance gegen zuerst Yahoo! und dann Google hätte haben wollen. Vor allem hätte man nicht mit dem Markennamen MSN Search starten dürfen. Hier passten am Anfang weder Markenname, noch Positionierung, noch Timing.

(5) Damit ein Mehr-Marken-System dauerhaft funktioniert, braucht es unbedingt das volle Involvement des Top-Managements, denn nur dieses kann garantieren, dass es langfristig keine Überschneidungen zwischen den einzelnen Marken gibt.

Ein perfektes Mehr-Marken-System oder doch nicht

Eine der stärksten Marken in der Welt der schnellen Mode ist heute mit Sicherheit H&M. So ist es auch nicht verwunderlich, dass das Top-Management, um die langfristige Zukunft des Unternehmens H&M abzusichern, immer stärker in Richtung Mehr-Marken-System tendiert. Dabei sind aus Markensicht vor allem die Marken H&M, Arket und ganz neu Afound von Interesse.

Arket ist als Marke preislich über H&M positioniert, um, wenn man Branchenberichten glauben darf, gegen Zara zu punkten. Afound ist als Marke preislich unter H&M positioniert, um ein Paradies für Style-Fans und Schnäppchenjäger zu werden. Auf den ersten Blick hat man bei H&M eigentlich ein perfektes Mehr-Marken-System geschaffen, das rund um den Preis als Abgrenzungsmerkmal aufgebaut ist.

Nur der erste Blick ist nicht alles! Wenn man einen zweiten Blick darauf wirft, trifft man auf drei Schwächen, die dieses Mehr-Marken-System mehr als nur in  Frage stellen sollte:

(1) Arket: Preislich mag Arket sehr wohl über H&M liegen, aber wird Arket wirklich eine Chance gegen Zara haben, oder stimmt hier grundlegend das Timing nicht? So gesehen besteht die Gefahr, dass Arket mehr Belastung für H&M als Bereicherung wird.

(2) Afound: Preislich mag Afound sehr wohl unter H&M liegen, aber besteht so nicht die große Gefahr der Kannibalisierung, also dass man die H&M-Kunden zu Afound-Kunden erzieht? Diese Erfahrung musste etwa die amerikanische Modemarke The Gap mit der billigeren Zweitmarke Old Navy machen. Heißt: Sollte die Marke Afound erfolgreich werden, könnte dies vor allem H&M selbst treffen.

(3) Zukunft: Hier sind wir bei der dritten und entscheidenden Schwäche dieses Mehr-Marken-Systems, denn alle drei Marken sind stationäre Marken, die das Internet nebenbei oder zusätzlich nutzen werden. Wenn sich H&M als Unternehmen wirklich für die Zukunft besser aufstellen möchte, sollte man die Marke H&M auf den stationären Handel fokussieren, um parallel dazu eine neue reine Nur-Online-Marke zu kreieren oder zu kaufen. Damit hätte man dann wirklich eine Marke für die Zukunft. Und damit sind wir bei dem Punkt, der beim Aufbau von Mehr-Marken-Systemen gerne übersehen wird, nämlich der Faktor Timing.

Der gerne übersehene Faktor Zukunft

Gerade aber diese Zukunftsorientierung fehlt – wie auch aktuell bei H&M – in vielen Mehr-Marken-Systemen, die in Summe viel zu sehr auf die Gegenwart ausgerichtet sind. Dazu nur einige Fragen: Wie würde heute Barnes & Noble dastehen, wenn man auch Amazon besitzen würde? Wie würde heute Microsoft dastehen, wenn man auch Android besitzen würde? Wie würde heute British Airways dastehen, wenn man auch Ryanair besitzen würde? Das Problem dahinter: Die Zukunft sieht am Anfang immer furchtbar klein im Vergleich zur Gegenwart aus. Und genau deshalb neigen große Konzerne dazu, diese (viel zu lang) zu ignorieren oder halbherzig in das bestehende Geschäftsmodell zu integrieren.

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