Letzte Woche diskutierten in Shanghai Laura Ries, Simon Chuang und ich nicht nur die Zukunft von Ries Global als globales Beratungsnetzwerk, sondern vor allem auch die Zukunft des Konzepts Positionierung im 21. Jahrhundert. Dabei sind es vor allem zwei Prinzipien, die über den Erfolg von Unternehmen im globalen Wettbewerb entscheiden werden, nämlich Fokussierung und Kategorisierung.
Globalisierung und Fokussierung
Was passiert, wenn ein Unternehmen seinen Heimmarkt verlässt? Je nachdem wie groß das eigene Land im Vergleich zum Exportmarkt ist, kann sich dieser verdoppeln, vervierfachen, verzehnfachen oder sogar verhundertfachen. Nur damit steigt auf der einen Seite die Chance auf enormes Wachstum, gleichzeitig steigt aber auch die Gefahr, dass man sich in diesem großen Markt einfach verliert.
Nicht umsonst lautet die wahrscheinlich wichtigste Positionierungsregel im globalen Wettbewerb: Je größer der Markt wird, desto enger sollte der Fokus der eigenen Marke werden. Nicht umsonst lautet auch das zentrale Erfolgsprinzip der Hidden Champions laut Hermann Simon Fokus, Fokus und Fokus. Nur Fokussierung alleine ist zu wenig. Entscheidend ist, dass man mit dieser Fokussierung auch eine dominante Position in der Wahrnehmung der Kunden erreicht.
Die Hidden Champions aus Positionierungssicht
Sie denken an LKW-Kräne. Sie denken an Palfinger. Sie denken an Spritzgussmaschinen. Sie denken an Engel. Sie denken an Feuerwehrauto-Technologie. Sie denken an Rosenbauer. Sie denken an Wood-Scanning. Sie denken an Microtec. Sie denken an Kombidämpfer. Sie denken an Rational. Sie denken aus Beratungssicht an Price-Management. Sie denken an Simon-Kucher & Partners.
Das heißt aber auch: Sollte sich heute eine zweite, dritte oder vierte Unternehmensberatung auch auf Price-Management fokussieren, wird man trotzdem immer nur die zweite, dritte oder auch vierte Wahl bleiben. So gesehen macht Fokussierung nur dann Sinn, wenn man damit auch eine dominante Position in der Wahrnehmung erreichen kann.
Globalisierung und Kategorisierung
Speziell das Internet gibt aber dieser Dynamik aus Globalisierung und Fokussierung einen ganz neuen Turboschub, weil es durch das Internet drei massive Veränderungen im globalen Wettbewerb gibt:
(1) Es erhöht sich die Geschwindigkeit der globalen Expansion. Nie zuvor wäre es möglich gewesen, so schnell globale Marken wie Amazon, Facebook, Google, WhatsApp oder YouTube zu bauen.
(2) So entstanden oder entstehen durch das Internet auch immer neue Produkt- und Dienstleistungskategorien, die nicht nur die Vielfalt erhöhen, sondern unter Umständen auch massiv bestehende analoge Geschäftsmodelle unter Druck bringen.
(3) Gleichzeitig erlaubt so aber auch das Internet eine Fokussierung und Spezialisierung, wie diese nie zuvor möglich gewesen wäre.
Nur damit leben wir auf der einen Seite aus Sicht der Kategorisierung und Fokussierung in einer Welt der unendlichen Chancen für neue Geschäftsmodelle und Marken. Auf der anderen Seite kann dies aber auch eine enorme Bedrohung für den Status Quo werden. Entscheidend dabei ist, dass man – strategisch gesehen – Fokussierung und Kategorisierung aus Positionierungssicht perfekt versteht und zum eigenen Nutzen umsetzt.
Fokussierung und Kategorisierung im Zusammenspiel
So ist es auch nicht verwunderlich, dass in China zwei westliche Bücher enorm nachgefragt sind, nämlich „Hidden Champions“ von Hermann Simon und „Positioning“ von Al Ries und Jack Trout. Damit sollten wir aber auch neu über China denken. Bisher haben wir China als Werkbank dieser Erde gesehen, gut im Kopieren und gut im Billig-Produzieren. In Zukunft werden wir erleben, dass China – basierend auf den Prinzipien Fokussierung und Kategorisierung – selbst in den Markenwettbewerb mit starken Marken einsteigen wird.
Es wird nicht über Nacht passieren, aber es wird passieren, denn chinesische Unternehmer und Manager haben das Interesse, die Wissbegierde, den Willen, die Geduld und auch das Kapital dazu. Dieses Interesse und vor allem auch diese Wissbegierde konnte ich selbst letzten Mittwoch bei meinem Vortrag „Positioning a Chinese Brand in Europe“ auf der Ries Global Konferenz „Engaging Global Markets“ in Shanghai live erleben. Und das war im wahrsten Sinne des Wortes sehr beeindruckend.
Die neue Herausforderung für Europa und die USA
Nur das wird auch eine ganz neue Herausforderung für die westliche Wirtschaft und die westlichen Unternehmen, egal ob in Europa oder den USA. Denn auf der einen Seite werden sich so auch Chancen für europäische und amerikanische Unternehmen ergeben, auf der anderen Seite wird sich so aber auch der Wettbewerbsdruck massiv erhöhen. Hier muss speziell Europa aufpassen, dass man die Zukunft nicht opfert, weil man unbedingt den Status Quo erhalten möchte.
Das kann und wird aber auch erfordern, dass man die eigene Fokussierung und Positionierung klar im Sinne der Globalisierung und Digitalisierung überdenken sollte. Denn eines gilt mit Sicherheit: Jedes Unternehmen steht heute im globalen und digitalen Wettbewerb, egal ob man selbst in die Welt geht oder ob man darauf wartet, dass die Welt bei einem Zuhause anklopft. In diesem Sinne zum Wochenstart: Positionierung: Die Zukunft Ihrer Marke, Ihrer Marken und Ihres Unternehmens hängt davon ab!