Haltung wird immer mehr zu dem Schlagwort in der Marken- und Marketingszene. So zeigte bereits 2019 die „Meaningful Brands“-Studie von Havas, dass 75 Prozent der deutschen Konsumenten bereits heute erwarten, dass sich Marken aktiv an Lösungen für soziale und ökologische Probleme beteiligen und eine klare Haltung einnehmen. Mit Corona wurde „Haltung“ dann, wie es aktuell aussieht, zum Markentenor Nr. 1.
Das Haltungsproblem der Werbung
Aber Haltung bedeutet auch, dass man Stellung bezieht, dass man erklärt, wofür man steht, wofür man eintritt und wofür man lebt. Zudem sollte Haltung natürlich mehr als nur ein Lippenbekenntnis sein. Echte Haltung erkennt man am tatsächlichen Verhalten. So gesehen sollte auch die Werbung einer Marke klar darstellen, wofür eine Marke steht und wofür nicht.
Perfekt als Basis dafür geeignet wäre der Slogan einer Marke. Denn der Begriff Slogan leitet sich aus dem keltischen Wort „Sluag-ghairm“ ab und bedeutet letztendlich „Schlachtruf“. Dabei könnte und sollte dieser „Schlachtruf“ aus Markensicht vor allem zwei Punkte erfüllen:
(1) Er sollte die grundlegende Positionierung und Haltung der Marke merkfähig auf den Punkt bringen.
(2) Er sollte der Marke auch Richtung geben. Ein guter Slogan sollte damit nicht nur Außen- sondern auch Innenwirkung haben.
Nur genau das tun die wenigsten Slogans. Nehmen Sie etwa den brandaktuellen Slogan von Kia, nämlich „Movement that inspires“. Welche Position oder Haltung sollte dieser Slogan auf den Punkt bringen? Wird Kia wirklich als Inspiration in der Fortbewegung gesehen? Oder anders gefragt: Wird Kia jemals in Zukunft als die Inspiration in der Fortbewegung gesehen? Oder ist das einfach der nächste „inspirierende“ Werbeslogan, der irgendwann dann von der darauf folgenden Inspiration in der Werbung abgelöst wird?
Was für Kia beruhigend sein mag, ist, dass man damit nicht alleine ist. Dazu sollten wir uns einige andere Slogans aus der Automobilindustrie ansehen, die in den letzten Jahren mit teilweise enorm viel Werbebudget „gehämmert“ wurden, wie „Amazing in Motion”, „Bring on Tomorrow“, „Confidence in Motion“, „Créative Technologie“, „Drive the change“, „Feel the difference“, „For life”, „Impress Yourself“, „Innovation that excites“, „Inspired by You“ „Motion- & E-Motion“, „Move your mind“, „New Thinking. New Possibilities“, „Passion for Life“, „The Power of Dreams“ oder „The Power of Surprise“. (Können Sie diese Slogans jeweils der richtigen Automarke zuordnen?)
Nehmen Sie etwa nur den Citroën Slogan „Creative Technologie“, der 2009 eingeführt wurde. Dieser sollte laut damaligen Medienberichte auf den Punkt bringen, welchen Zugang Citroën zum Thema technologische Neuentwicklung hat, nämlich: kreativ, pragmatisch, vorausschauend. 2015 führte man dann den Markenclaim „Le Car – Le Caractère“ ein, um ihn bereits 2016 mit durch „Inspired by You“ zu ergänzen. Damit wollte Citroën laut Eigenangaben das menschnahe Image der Marke weiter schärfen. So stand auch Kia bis Ende 2020 für „The Power of Surprise“, um ab 2021 für „Movement that inspires“ zu stehen. So schnell kann man anscheinend in der Werbung das Denken und die globale Ausrichtung einer Marke umstellen.
Die große Welt des Werbe-bla-bla-bla
Nur wenn man sich diese Slogans ansieht, darf man sich eigentlich nicht wundern, dass viele Werbeaussagen einfach nur als „Werbe-bla-bla-bla“ abgetan werden. Steht Honda wirklich für die Macht der Träume in der Wahrnehmung der Kunden? Oder würde dieser Slogan – wenn überhaupt – besser zu Ferrari, Lamborghini oder Porsche passen, also einem Auto, das für viele immer ein Traumwagen bleiben wird? Oder glaubt wirklich jemand, dass Ford (Bring on Tomorrow) besser für Morgen vorbereitet ist als VW oder Toyota, ganz zu schweigen von Tesla, Porsche, Mercedes, BMW oder Audi?
So zeigte auch eine globale Studie von Kantar aus dem Jahre 2020, dass nur 38 Prozent der Bevölkerung klassischer Werbung vertrauen. Damit lag Werbung auf dem letzten Platz hinter Freunden und Familien (93%), Nachrichten und Info-Websites (76%) Artikel in Zeitschriften und Magazinen (73%), Blogs und Vlogs (65%) oder Soziale Medien-Plattformen (51%). Selbst Produkt- und Unternehmenswebsites mit 70 Prozent Vertrauen in Marken- und Serviceinformationen lagen klar vor der Werbung.
Resonanz in der Wahrnehmung
Aber es gibt natürlich auch Ausnahmen. Das sind in der Regel jene Slogans, die eine echte Resonanz in der Wahrnehmung der Kunden auslösen, also Slogans die auf eine konkrete Position in den Köpfen der Kunden einzahlen. So steht BMW für „Freude am Fahren“, Mercedes für „Das Beste oder nichts“, Audi für „Vorsprung durch Technik“ oder Skoda für „Simply clever“. Und für Volvo müsste es natürlich ein Slogan rund um Sicherheit sein.
Das ist aber nur der eine Aspekt. Der andere Aspekt ist, dass die vier oben genannten Slogans auch eine konkrete und nicht nur diffuse Haltung kommunizieren. Nehmen wir BMW! Wenn BMW für Fahrfreude steht, ist das auch eine Richtschnur für innen, für das tägliche Verhalten der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, das gilt von der F&E-Abteilung über die Motoren, das Design, die Innenausstattung, die Extras bis hin zu Werbung und Verkauf. Überall sollte Fahrfreude die zentrale Leitidee sein. Wie aber sieht ein Auto aus, das „Bereit für Morgen“ ist? Was heißt das für das Design, für die Motoren, für die Innenausstattung, für die Werbung oder auch den Verkauf?
Haltung statt Haltungskampagnen
So gesehen würde die Werbung wieder an Vertrauen und Glaubwürdigkeit gewinnen, wenn Unternehmen für ihre Marken nicht nur von Zeit zu Zeit über unterstützende und ergänzende Haltungskampagnen nachdenken würden, sondern wirklich in jeder Werbung Farbe bzw. Haltung bekennen würden. Nur das würde schon vorher eine klare Positionierung verlangen, die man nach außen und nach innen leben kann. Und die vor allem ganz klar klarstellt, wofür man steht und wofür nicht. Das wäre echte Haltung im Sinne der Marke.
sehr gut!