Wie speichern wir Marken in unserem Gehirn ab? Sicher nicht alphabetisch, sicher auch nicht nummerisch und auch ganz sicher nicht einfach „nach Zufall“. Im übertragenen Sinn speichern wir Markennamen genauso wie wir analoge oder digitale Dokumente in Ordner oder Schubladen ablegen.
Schubladen im Gehirn
So findet man etwa im Gehirn eine Schublade für Cola-Getränke, eine für Bier, eine für Kaffee, eine für Schokolade und natürlich unzählige Schubladen für viele, viele andere Produkte oder Dienstleistungen. So gesehen denken wir auch nicht primär in Marken, sondern vielmehr in Schubladen oder Einkaufsentscheidungen. Niemand steht in der Früh auf und sagt: „Wir brauchen heute unbedingt ein Nivea-Produkt.“ Vielmehr wird man eher sagen: „Wir fahren morgen ans Meer. Wir brauchen noch eine Sonnencreme. Nimm bitte die von Nivea, wenn Du bei dm bist.“
Natürlich sind manche Marken so stark positioniert, dass diese im Laufe der Zeit mit der Kategorie im Gehirn verschmelzen. Manche denken jetzt vielleicht an Coca-Cola oder auch an Red Bull. Überlegen Sie selbst dazu: An welche Marken denken Sie bei Cola? Coca-Cola, Pepsi-Cola, Fritz-Kola, Afri-Cola. Und an welche Marken denken Sie bei Energydrinks? Red Bull, Monster. Und jetzt einmal ehrlich: Wie viele von Ihnen haben spontan an Red Bull Simply Cola bzw. an Coca-Cola Energy gedacht? Sowohl Coca-Cola Energy als auch Red Bull Simply Cola haben somit kein Markenproblem, sondern ein Schubladenproblem.
Was unser Gehirn mag
Um besser zu verstehen, worum es geht, sollten wir uns einmal ansehen, was unser Gehirn beziehungsweise unser Gedächtnis gerne hat. Übervereinfacht dargestellt mag unser Gehirn zwei Dinge besonders: Auf der einen Seite liebt unser Gehirn Bestätigung, auf der anderen Seite ist unser Gehirn aber auch an Neuem interessiert. Deshalb ist der beste Weg, eine neue starke Marke zu bauen, dass man eine neue Schublade im Gehirn einführt. Genau das machte Dietrich Mateschitz mit Red Bull. Red Bull war der erste Energydrink und nicht ein weiteres Erfrischungs- oder Sportgetränke.
Nach den Anfangserfolgen von Red Bull gab es alleine in Österreich über 175 andere Energydrink-Labels wie Power Horse, Flying Horse, Shark, Dark Dog oder auch Blaue Sau. Nur wie interessant ist die Botschaft „Wir haben jetzt auch einen neuen Energydrink für Euch“ wirklich? Natürlich wollten all diese Me-too-Energydrinks ebenfalls starke Marken bauen. Sie zäumten das Pferd nur am falschen Ende auf. Das heißt: Der erste Energydrink war für unser Gehirn wirklich interessant, die weiteren Energydrinks natürlich nicht mehr so sehr.
Die totale mentale Überforderung
Das heißt aber auch, dass unser Gehirn gerne Ordnung in einer Welt der oft totalen mentalen Überforderung hat. Nehmen Sie etwa die aktuelle Flut an Elektroautomodellen. Alleine in Deutschland gibt es bereits über 80 Modelle, aber nur eine echte Marke. Und das ist Tesla. Damit werden aus mentaler Sicht zwei Dinge passieren.
(1) Wir haben eine echte Konstante im Gehirn bei Elektroautos. Das ist Tesla. Tesla wird so auch von fast jedem neuen Elektroautomodell profitieren, weil vor allem auch die Medien Tesla als Vergleichsmaßstab verwenden werden.
(2) Daneben werden wir viele Modelle haben, die sich je nach Neuerscheinung oder Markeninteresse mental in unserem Gehirn ablösen werden. So stehen sicher aktuell neben Tesla die Modelle Renault Zoe, VW ID.3, VW ID.4, Audi e-tron GT oder Skoda Enyaq im Mittelpunkt des Interesses. Manche denken jetzt auch noch an Porsche Taycan, Polestar 2 oder an den BMW i4. Und wieder anderen fällt vielleicht noch ein, dass es von Mercedes den EQA, EQC oder EQS gibt. Anderen fällt dann noch ein, dass natürlich auch Volvo, Opel, Hyundai und Kia Elektromodelle bieten und auch Dacia schon welche angekündigt hat. Konstant in allen Gehirnen ist aber mit Sicherheit aktuell nur Tesla. Spannend wird hier, wem es gelingen wird, neben Tesla dauerhaft als die erste Alternative gesehen zu werden.
Kategorie- statt Markendenken
Das heißt aber auch: Wenn Sie heute eine starke Marke bauen möchten, sollten Sie nicht vorrangig in Marke, sondern vorrangig in Schublade oder Kategorie denken. So gesehen stellen sich wahrscheinlich Tag für Tag unzählige Manager und Unternehmer die falsche Frage, nämlich diese: „Wie können wir aus unseren Produkten und Dienstleistungen endlich starke Marken machen?“ Viel besser wäre diese Frage: „Wie können wir eine neue Schublade oder Kategorie in den Köpfen der Kunden etablieren?“ Welches Denken steht bei Ihnen im Vordergrund, wenn es um das Thema „Marke“ geht? Kategorie- oder Markendenken? Fazit: Vergessen Sie das klassische Markendenken, wenn Sie eine starke Marke bauen möchten.
Zum Thema “Original-Positionierung” (der Erste in einer Schublade sein) gab es diesen schönen Spruch an unserer US-Uni:
“People or companies who are the first at something don’t need to work hard to differentiate – their newness is their difference.”
Trifft wohl auf Tesla (*2003) zu – aber auch auf Coca-Cola (*1886).