Bereits vor mehr als 20 Jahren schrieb Jack Trout, dass wir heute nicht in der Ära der Positionierung, sondern in der Ära der Repositionierung leben. Und er nannte drei wesentliche Gründe oder Entwicklungen dafür: (1) Der technologische Wandel, (2) veränderte Verbrauchereinstellungen und (3) der verschärfte Wettbewerb. Dazu kommt noch, dass sich viele Unternehmen selbst verzettelt haben, indem diese ihre Marken im Laufe der Zeit „überdehnten“ und damit an Profil verloren.
Zurück zu den Wurzeln
Die Rebranding-Strategie Nr. 1, wenn man über die Repositionierung einer Marke nachdenkt, lautet „zurück zu den Wurzeln“. Genau das machte Nivea. So schrieb die Financial Times Deutschland Ende 2010: „Pflege-Fall Nivea: Eigentlich war Beiersdorf immer der Streber der Kosmetikbranche. Doch mit ihrer Flagschiffmarke haben sich die Hamburger gründlich verzettelt. Nun steuern sie gegen – und wollen zurück zu den Wurzeln.“ So musste man bei Nivea erkennen, dass die Marke das Konzept „Schönheitspflege“ nicht trägt. Also refokussierte man sich 2011 im Rahmen des 100 Jahr-Jubiläums sehr erfolgreich wieder auf „Pflege“.
Der große Vorteil dieser Strategie ist, dass man damit bereits auf bestehenden Kundenmeinungen aufbaut. Man kann so die Marke repositionieren, ohne dabei das Risiko einzugehen, die Kunden zu verwirren. So gesehen macht es auf den ersten Blick auch enorm Sinn, dass Beate Uhse derzeit ebenfalls eine Rebranding-Strategie in diese Richtung überlegt.
Beate Uhse ist nicht Nivea
So vermeldete Horizont.net am 24. Juli dieses Jahres: „“Sei du selbst – Erotik hat viele Facetten“: Unter diesem Motto besinnt sich Beate Uhse in seiner neuen Kampagne zurück auf seine Geschichte und die gleichnamige Gründerin. … Die Kampagne soll das Markenimage des Erotik-Shops verjüngen und ist ein Plädoyer für die sexuelle Selbstbestimmung.“
Wird diese „Back to basics“-Repositionierung ähnlich erfolgreich wie die von Nivea? Wetten Sie nicht darauf! Denn während sich Nivea mit der Schönheitspflege selbst verzettelt hat, liegt das Problem von Beate Uhse nicht bei Beate Uhse selbst, sondern daran, dass sich durch das Internet die Welt der Erotik komplett verändert hat. So schrieb das Handelsblatt am 10. April dieses Jahres: „Beate Uhse findet nicht aus der Krise: Das angestammte Geschäft hat sich überlebt, das neue Image kommt nicht richtig an.“
Beate Uhse, Kodak, Nokia und Barnes & Noble
Das heißt: Eine „Zurück zu den Wurzeln“-Strategie macht nur dann Sinn, wenn die „alte“ Position bzw. Positionierung auch heute und morgen noch relevant ist. So gesehen kann man die aktuelle Position von Beate Uhse viel eher mit den Markenproblemen von Kodak, Nokia und Barnes & Noble vergleichen.
Alle drei Marken verabsäumten es, starke Zweitmarken aufzubauen. So trug der Name Kodak nicht das Konzept „Digitalkamera“ aus Kundensicht. So trug der Name Nokia nicht das Konzept „Smartphone“ aus Kundensicht. So trug der Name Barnes & Noble nicht das Konzept „Online-Buchhandlung“ aus Kundensicht.
Durch das Internet sind in der Erotikbranche nicht nur komplett neue Geschäftsmodelle entstanden, es entstand auch eine neue Art der Gratiskultur. Hier hätte das Unternehmen Beate Uhse rechtzeitig selbst neue Geschäftsmodelle und vor allem neue Marken entwickeln müssen. Nur das hätte man viel früher, als man noch aus einer Position der Stärke heraus agierte, anpacken müssen.
Der gefährliche Integrationsgedanke
Nur warum tun dies die meisten Unternehmens- und Markenverantwortlichen nicht? Warum werden keine Zweit-, Dritt- oder auch Viertmarken gebaut, um die eigene Zukunft abzusichern. Das hat drei Gründe: (1) Generell werden neue Marken als zu teuer angesehen. (2) Man überschätzt die Macht der eigenen Marke gegenüber neuen spezialisierten Mitbewerbern und (3) Man versucht zwanghaft die neuen Geschäftsmodelle in das eigene alte Geschäftsmodell zu integrieren. So musste selbst Microsoft mit seinem sehr ausgeprägten Kompatibilitätsdenken erkennen, dass der Name Windows bei Smartphone-Betriebssystemen keine Chance gegen iOS und Android hat. Dies sollte auch der deutschen Automobilindustrie zu denken geben, denn das Geschäftsmodell Elektroauto ist – langfristig gesehen – alles andere als kompatibel mit dem Modell Verbrennungsmotorauto.