Die Repositionierung einer Marke gehört zu den schwierigsten Markenaufgaben von allen, weil man gegen zwei mentale Hürden antreten bzw. ankämpfen muss. Das gilt nicht nur für die Repositionierung von Produkten und Dienstleistungen. Das gilt genauso für die Repositionierung einer Partei wie etwa der SPÖ. (Mehr dazu auch in meinem neuen Buch „Markenpositionierung im 21. Jahrhundert“, in dem ich dem Thema Repositionierung ein eigenes Kapitel gewidmet habe.)
Die interne mentale Hürde
Die erste mentale Hürde dabei findet man im Unternehmen oder in der Partei selbst. So hat die Vergangenheit und Gegenwart in einer Organisation so gut wie immer eine größere Lobby als die Zukunft. Das heißt aber auch: ein Großteil des Managementteams und auch der Belegschaft denkt in bestehenden Geschäftsmodellen und Strukturen. Die Folge davon: Man steht zwar der Zukunft im Generellen offen gegenüber, aber nur dann, wenn sich diese Zukunft in das bestehende Denkmodell oder Modellmuster integrieren lässt.
Das dürfte etwa in der Automobilindustrie heute so aussehen: Wir sehen die Elektromobilität als große Chance, wenn wir diese perfekt in unser bestehendes Geschäftsmodell integrieren können. In der SPÖ könnte dies dann etwa so aussehen: Wir müssen unsere Partei oder besser Bewegung für die Zukunft öffnen, dürfen dabei aber unsere Grundsätze und Strukturen nicht gefährden. Das Ergebnis ist dann in der Regel auf dem Papier „das Beste aus beiden Welten“, was sich in der Praxis dann als „langweiliger Kompromiss“ entpuppt, der niemanden wirklich anspricht oder schon gar niemanden wirklich mitreißt. So gesehen ist die Gefahr groß, dass die aktuell angekündigte große Runderneuerung der SPÖ einfach versanden wird.
Die externe mentale Hürde
Die zweite mentale Hürde ist das kollektive Gedächtnis unserer Gesellschaft. Je stärker eine Marke positioniert war und ist, desto stärker hat sich diese Marke mit ihren positiven und negativen Eigenschaften in unser Gedächtnis eingebrannt. Man könnte in diesem Zusammenhang auch von positiven und negativen Vorurteilen sprechen. Und genau diese ändern Menschen nur ungern, da Umlernen schwieriger ist als Neulernen. Diese Erfahrung kennt jede Person, die sich einmal eine Sportart selbst falsch eingelernt hat.
Genau aus diesem Grund scheitern die meisten Repositionierungsprogramme am Markt kläglich. Im Endeffekt hat eine Marke so nur zwei realistische Möglichkeiten, um sich erfolgreich neu auszurichten: (1) Man besinnt sich auf die eigene Vergangenheit, um dort die Positionierung für die Zukunft zu finden. Das etwa machte man 2011 mit der Marke Nivea. Nachdem die Marke mit der Idee „Schönheitspflege“ überdehnt wurde, refokussierte man diese wieder erfolgreich auf die frühere Kernidee „Pflege“. (2) Man setzt auf ein erfolgreiches Leadprodukt oder eine erfolgreiche Leadidee. Dies machte etwa Steve Jobs zuerst mit dem iPod und dann noch erfolgreicher mit dem iPhone bei Apple. Das heißt: Man fand ein Zukunftsprodukt, das das gesamte Unternehmen neu auflud und ausrichtete.
Eine Idee für die Zukunft
Diese Leadproduktidee nutzte etwa auch die ÖVP mit Sebastian Kurz. Zudem unterstrich man dieses „Leadprodukt“ mit einer neuen Parteifarbe, nämlich Türkis. So wirken verbale Ideen in der Regel noch besser, wenn diese zusätzlich durch eine visuelle Idee verstärkt werden. Das heißt: Was die SPÖ heute in erster Linie brauchen würde, ist kein neues Parteiprogramm. Vielmehr würde man eine einfache Idee, die sich zudem einfach visualisieren lässt, brauchen, mit der man bei den nächsten Landtagswahlen richtig punkten kann. Denn hier gilt: Nichts macht erfolgreicher als Erfolg. So einfach in der Markentheorie, so unendlich schwer wahrscheinlich im Politapparat der SPÖ!
Hallo Herr Brandtner!
Wieder eine großartige Analyse mit Gedankenanstoß. 🙂
Mit der „Leadproduktidee“ Sebastian Kurz und Türkis hat „Schwarz alt“ und deren handelnden Personen auch eine Verjüngung und Generationswechsel zugelassen, die diesen tiefgreifenden Erfolg unterstützt und möglich gemacht hat. Kein Klassenkampf, kein Generationenkampf … zumindest nicht in der Öffentlichkeit.
Das Parteiprogramm von SPÖ wurde im wesentlichen von Teilorganisation(en) (Gewerkschaft, AK vielleicht noch Pensionistenverband …) und deren „starken Persönlichkeiten“ verfasst. Die Jungen in der SPÖ „kämpfen“ ja tlw. auch öffentlichkeitwirksam um Anerkennung, um mit ihrem Engagement und Ideenreich mitarbeiten zu dürfen. Ich denke, solange dies die SPÖ nicht verstanden hat … wird es wohl weiter bergab gehen. Es gibt ja Alternativen …