Bei VW soll aus Marken- und Marketingsicht, wie es aussieht, kein Stein auf dem anderen bleiben. So erklärte etwa Jürgen Stackmann, Mitglied des Markenvorstands für Vertrieb, Marketing und After Sales auf Horizont.net: „Die Marke vollzieht mit der Formulierung neuer inhaltlicher Ansprüche und neuen Produkten einen tiefgreifenden Wandel hin zu einer bilanziell emissionsfreien Zukunft für alle. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, die neue Haltung unserer Marke auch nach außen sichtbar zu machen.“
Unternehmens- vs. Kundensicht und …
Das alles mag aus Unternehmenssicht bombastisch und zukunftsweisend klingen, nur aus Kundensicht macht das wenig Sinn. VW ist eine extrem starke und gelernte Marke. Hier davon auszugehen, dass ein wenig Markenkosmetik im Sinne von neuem Logo und neuem Auftritt ein radikales Umdenken bei den bestehenden und potenziellen Kunden auslösen wird, ist mehr als unwahrscheinlich.
So ist, wie jeder Psychologe weiß, das Umlernen viel schwieriger als das Neulernen. Wobei – isoliert betrachtet – sind das neue Logo und das neue CD für VW sicher ein Schritt in die richtige Richtung. Es wirkt moderner, klarer, einfacher und entspricht auch dem 2D-Zeitgeist, ohne aber – und das ist wichtig – einen Stilbruch zu erzeugen. So werden sich auch die aktuellen Kritiker schnell an das neue Logo und den neuen Auftritt gewöhnt haben. Aber das ist nur die eine Seite. Heißt: Aus Designsicht mag das für VW die Zukunft repräsentieren. Für eine, wie oben erwähnte, neue Haltung ist das alleine eindeutig viel zu wenig.
… die große vertane Chance
Und damit kommen wir zu anderen Seite. Bei VW raubt man sich so durch diesen „bombastischen Wandel“ die strategische Chance, einen Umlernprozess Schritt für Schritt einzuleiten. VW hätte sich Steve Jobs als Vorbild nehmen sollen. Er baute Apple nicht um, indem er den einen großen Markenrelaunch mit der einen großen Logo-, CD-, Produkt- und Werbeoffensive startete, sondern indem er 2001 zuerst den iPod und dann 2007 das iPhone präsentierte. Genau diese Chance hätte VW jetzt mit dem ID gehabt.
Nur dazu hätte man alle Kräfte genau auf den ID, besser auf ein einziges ID-Modell fokussieren müssen. Man hätte so a) den ID zum Leadprodukt machen müssen und b) ihm einen besseren, stärkeren Markennamen a la Käfer oder Golf geben müssen. So ist die Gefahr groß, dass der VW ID in dieser ganzen Werbekosmetikbombastik als weiteres VW-Modell „endet“. Hier wäre mehr Produkt mit starker Produktpositionierung und mit starkem Produktmarkennamen und weniger Unternehmensmarke in Summe sehr viel mehr gewesen. Zudem hätte eine „neue Haltung“, auch einen starken Haltungsslogan mit Außen- und vor allem auch Innenwirkung erfordert.
PS dazu: Mehr über Repositionierung von Marken finden Sie auch in meinem neuen Buch „Markenpositionierung im 21. Jahrhundert“. Dort ist diesem Thema ein ganzes eigenes Kapitel gewidmet.