Immer mehr CEOs dieser Erde erkennen die Macht und vor allem auch den Wert einer starken Marke. Als ich vor mehr als 25 Jahren in das Markenberatungsgeschäft einstieg, dachte man spontan bei Marke an schnelldrehende Konsumgüter, Automarken und vielleicht noch an Fastfoodketten. Heute hat die Marke so gut wie jeden Lebensbereich erobert. So gibt es b2b- und b2c-Marken. Es gibt Produkt- und Dienstleistungsmarken. Wir haben Offline- und Onlinemarken. Wir haben Lifestyle- und Tourismusmarken. Wir haben analoge und digitale Medienmarken. Personen sind Marken, Parteien sind Marken und natürlich auch Bewegungen wie etwa Fridays For Future sind starke Marken in unserer kollektiven Wahrnehmung und in unserem kollektiven Gedächtnis.
Marke als Wertschöpfungsfaktor
Warum aber sollten Unternehmen Geld, Zeit, Energie und vor allem auch Disziplin in den Aufbau einer starken Marke investieren? Die Antwort darauf ist einfach: Eine starke Marke schafft für ein Unternehmen einen Mehrwert, nicht nur am Absatzmarkt, sondern de facto auf allen Märkten, egal ob am Beschaffungsmarkt, am Finanzierungsmarkt und vor allem auch am Markt für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
Dazu nur ein Beispiel, das den klassischen Absatzmarkt betrifft. So zeigte eine globale Studie von Simon-Kucher mit fast 4.000 Teilnehmern, dass zwei Faktoren dafür verantwortlich sind, dass ein Unternehmen Pricing-Power, also die Kraft der Preisdurchsetzung hat, nämlich der wahrgenommene Kundennutzen und die Marke. Spannend dabei ist, dass sich beides vor allem in der Wahrnehmung abspielt. Gleichzeitig wirkt sich ein höherer Preis wieder positiv auf die Qualitätswahrnehmung aus.
Branding als strategisches Führungsinstrument
Damit wird Marke aber auch zum strategischen Führungsinstrument. So hilft eine starke Marke, dass man die richtigen strategischen Entscheidungen für die Zukunft trifft. Nur dabei muss man verstehen, was das Ziel oder das Ergebnis einer starken Marke ist bzw. sein sollte.
Frage dazu: Was haben so verschiedene Marken wie Coca-Cola, McDonald’s, Google, Spotify, Tesla, Flixbus oder das iPhone von Apple gemeinsam? Sie denken an Cola. Sie denken an Coca-Cola. Sie denken an Hamburger. Sie denken an McDonald’s. Sie denken an Suche. Sie denken an Google. Sie denken an Musikstreaming. Sie denken an Spotify. Sie denken Elektroauto. Sie denken Tesla. Sie denken Fernbus. Sie denken an Flixbus. Sie denken Smartphone. Sie denken iPhone. Das gilt genauso für die b2b-Welt. Sie denken an Schrauben. Sie denken an Würth. Sie denken an Feuerwehrauto. Sie denken an Rosenbauer. Sie denken an „Das neue Hardselling“. Sie denken an Martin Limbeck. Oder nehmen Sie die Kunstwelt. Sie denken an Pop-Art. Sie denken an Andy Warhol.
Das heißt aber auch: Wenn Sie den Mehrwert einer starken Marke für Ihr Unternehmen oder Ihre Organisation wirklich nutzen wollen, geht es – strategisch gesehen – immer und zuerst um Marktdominanz. Es geht darum, dass man einen spezifisch ausgewählten Markt zuerst mental und dann tatsächlich dominiert. So gesehen ist Marke – richtig verstanden – viel mehr als nur ein neues Logo, ein neues Design oder eine neue Werbelinie.
Branding als operatives Führungsinstrument
Damit wird die Marke aber auch gleichzeitig zum operativen Führungsinstrument, da es dann darum geht, dass man das gesamte Unternehmen im Sinne dieser anzustrebenden mentalen und tatsächlichen Marktdominanz führt. Es geht also dann auch darum zu entscheiden, was man operativ tun sollte und auch was man operativ nicht tun sollte, um das strategische Marken- und Unternehmensziel zu erreichen.
Das erfordert in vielen Fällen auch Opferbereitschaft. In den 1960er Jahren war BMW massiv in der Krise. Dann fokussierte der damalige Vertriebsvorstand Paul Hahnemann die Marke und das Unternehmen auf „Fahrfreude“. „Aus Freude am Fahren“ wurde nicht nur zum Slogan, es wurde zur zentralen strategischen und auch operativen Richtschnur für das Unternehmen nach außen und innen.
Wurde Hahnemann dafür am Anfang belächelt und wenig nett gemeint als „Nischen-Paule“ bezeichnet, legte er damit aber den Grundstein für den BMW-Erfolg der nächsten Jahre und Jahrzehnte. Das bedeutete aber auch, dass die Idee „Fahrfreude“ aktiv in allen Facetten von BMW gelebt wurde, egal ob es um das Design der Autos, die Leistungsdaten des Autos oder auch die PR und Werbung ging. Spannend wird es jetzt wie BMW im Zeitalter der Elektromobilität mit diesem Markenerbe umgeht. Wahrscheinlich würde man gerade jetzt wieder einen Paul Hahnemann brauchen, der die Marken- und Unternehmensweichen für die nächsten Jahrzehnte neu und fokussiert stellt.
Den Punkt der Entscheidung verstehen
Was leider viele Unternehmer und Manager abhält, die Macht und den Wert der Marke voll für das eigene Unternehmen zu nutzen, ist das zu einseitige Denken in harten Zahlen, Daten und Fakten. Diese sind natürlich wichtig, aber diese können einem auch den Blick auf das Wesentliche extrem vernebeln. Dazu nur ein Beispiel: Über Jahre dominierte Nissan global den Markt für Elektroautos. So war der Nissan Leaf das meistverkaufte Elektroauto dieser Welt.
Aus harter Managementsicht – getrieben und gesteuert von harten Zahlen, Daten und Fakten – war das sicher perfekt. Nur leider übersah man einen wesentlichen, aber entscheidenden Punkt, nämlich die Kundenwahrnehmung. Dazu wurde, als es aus Markensicht bereits zu spät war, Carlos Ghosn, der damalige Chef von Nissan, Renault und Mitsubishi im Dezember 2016 vom Manager-Magazin so zitiert: „Wir sind Marktführer, aber nicht mehr Meinungsführer.“ (Wahrscheinlich wurde dieses Thema der Meinungsführerschaft als zentraler Erfolgsfaktor in den Strategiemeetings von Nissan massiv unterschätzt und viel zu wenig diskutiert.)
Gerade bei großen und wirklich weitreichenden Strategieentscheidungen müssen wir von Ries Global leider immer wieder feststellen, dass alle harten Zahlen, Daten und Fakten, nur nicht die Wahrnehmung der Kunden berücksichtigt wurden. Nur die brutale Wahrheit ist, dass man letztendlich nicht auf dem Papier, sondern nur in der Wahrnehmung und im Gedächtnis der Kunden dauerhaft gewinnt oder verliert. So gesehen ist es heute für Nissan wertlos, dass man über Jahre den Elektroauto-Markt auf dem Papier dominiert hat. Aktuell ist man nicht nur in der Wahrnehmung, sondern auch mittlerweile wieder auf dem Papier maximal ein Mitläufer. Frage an Sie: Wer ist bei Ihnen in Strategiemeetings der Anwalt der Kundenwahrnehmung? Die Antwort auf diese Frage kann massiv über Erfolg oder leider auch Misserfolg entscheiden.