Wofür sind Modemarken da? Und warum sollten Kunden ausgerechnet die eigene Modemarke gegenüber anderen Modemarken bevorzugen? Die einfache Antwort darauf dürfte so lauten: „Marken sind für das Leben der Kunden da.“ Das dürfte nicht nur eine einfache Antwort sein, man dürfte so auch gleich den dazu passenden Slogan haben. So präsentierte im Jahr 1999 C&A den Markenzusatz „Fashion for Living“ und S.Oliver ganz aktuell im Jahr 2021 „Fashion for Life“.
Interessante Parallelen
Interessant dabei ist aber nicht nur die Slogan-Ähnlichkeit, sondern auch die wirtschaftlichen Umständen, in denen diese doch sehr ähnlichen Slogans entstanden sind. Dazu sollten wir zuerst einen Blick zurück werfen. So hieß es am 17. Juni 2000 auf Welt.de: „C&A kommt nicht aus der Krise heraus“. Und weiter: „C&A reagierten mit einer groß angelegten Image- und Modernisierungskampagne auf die Verluste. Ein neues Einheits-Logo auf allen Produkten, ein „Newlook“ für die Einrichtung der zuletzt rund 196 Verkaufshäuser in Deutschland mit schätzungsweise 800 000 bis 900 000 qm Verkaufsfläche und teure Werbekampagnen, mit denen vor allem junge Käufer in die C&A-Häuser wieder zurückgelockt werden sollen – weg vom muffigen Wühltisch-Image hin zum preiswerten und dennoch hippen Modetempel, ließe sich die Kampagne auf den Punkt bringen. „Fashion for Living“ nannte es C&A.“
Nicht unähnlich berichtete Horizont.net im Jahr 2021 über die Situation von S.Oliver: „Seit Frühjahr 2020 befindet sich die [Führungsriege] in einer Art Totalumbau. Seither wurden zahlreiche Führungspositionen neu besetzt, vom E-Commerce über das Marketing bis zum Vertrieb. Dem vorangegangen war der Stellenabbau von 170 Mitarbeitern im März vergangenen Jahres, der noch nicht auf die Corona-Pandemie zurückzuführen war, sondern auf die erklärte Absicht von Unternehmens-CEO Claus-Dietrich Lahrs, den Konzern zu restrukturieren, digitalisieren und international auszubauen.“ Und weiter: „Im Sommer 2020 folgte eine zweite Entlassungswelle: Weitere 200 Angestellte mussten aufgrund der gesunkenen Umsatzprognosen durch die Corona-Krise und die massiven Auswirkungen auf den Modehandel gehen. Sowohl mit dem Unternehmensumbau als auch dem Relaunch der Marke sollen nun die Voraussetzungen geschaffen werden, in dem schon länger unter Druck stehenden Markt zu bestehen.“ Und natürlich geht es auch hier um die Erschließung neuer Zielgruppen: „Es geht darum, eine neue, urbane Zielgruppe zu erschließen, sie sich genau damit identifiziert, dass Mode schön und gut ist – aber eben nicht alles im Leben.“
Interessantes Reaktionsmuster
Interessant ist dabei auch, dass Markenverantwortliche in herausfordernden Zeiten anscheinend ähnliche Reaktionsmuster entwickelt haben, die man grob so zusammenfassen kann:
(1) Überarbeitung und Erweiterung der Markenidentität unter besonderer Berücksichtigung von gesellschaftlichen Entwicklungen.
(2) Neudefinition der Zielgruppe, um neben der Stammzielgruppe auch neue relevante, meist jüngere Zielgruppen zu erreichen.
(3) Neue Produkte, um das Angebot zielgruppen- und themenrelevant auszuweiten.
(4) Neue Werbelinie mit neuem Claim, um die Neuerungen auch mit dem richtigen Image zu versehen.
(5) Mehr Preisaktionen, um dadurch neue Kundengruppen zu gewinnen und zu halten.
Noch interessanter dabei ist, dass dieses Muster dann regelmäßig – meist in immer kürzeren Abständen – zum Einsatz kommt.
Tun statt nur „kommunizieren“
Während dieses Muster beim Management extrem beliebt ist, führt in der Regel am Markt ein ganz anderes Muster zum erfolgreichen Marken-Turnaround oder Rebranding, nämlich die Fokussierung auf ein konkretes Leadprodukt. So gesehen hat der BMW 1500 Mitte der 1960er Jahre für BMW mehr getan als alle Marketingaktivitäten davor und danach. So gesehen hat die Duke für KTM mehr getan, als alle Marketingaktivitäten davor und danach. So gesehen hat der iPod für Apple mehr getan als alle Marketingaktivitäten davor und danach. Dabei ist gar nicht entscheidend, dass der iPod nicht das erfolgreichste Apple Produkt aller Zeiten ist. Entscheidend ist, dass er die Basis legte, dass aus einem Nischenplayer in der Krise die wertvollste Marke der Welt laut Interbrand wurde.
Oder nehmen Sie Alpecin! Ohne die Idee und das Produkt „erstes Koffeinshampoo“ wäre diese Marke wahrscheinlich schon Shampoogeschichte. Und die „Lachgummis“ machten aus einem „ausgelutschten Nimm 2 Bonbon“ wieder eine extrem starke Marke.
Dabei kann man auch viel vom österreichischen Fußballer Toni Polster lernen. Dieser war in Österreich im Jahr 1989 alles andere als der Liebling der österreichischen Nation. So wurde er auch am 15. November 1989 im WM-Qualifikationsspiel gegen die DDR vom eigenen Publikum gnadenlos ausgepfiffen. Seine Antwort: 3 Tore, die nicht nur Österreich den Weg zur Fußball-WM damals ebneten, sondern Toni dauerhaft zum Liebling der österreichischen Nation machten.
Genau diese „3 Tore“ würde heute auch S.Oliver brauchen. Oder anders ausgedrückt: S.Oliver würde jetzt vor allem eine, die Betonung liegt auf eine extrem starke und erfolgreiche Kollektion mit einem echten USP brauchen, denn nichts macht erfolgreicher als Erfolg. Damit sind wir bei einem extrem wichtigen Punkt. Die meisten Rebranding-Versuche scheitern deshalb, weil sich außer der Kommunikation nichts ändert. Abgesehen davon ist eine Idee wie „Fashion for Life“ viel zu breit und unspezifisch, um sich wirklich vom Wettbewerb zu differenzieren. Daran werden auch Zusatzclaims wie „Looks, die dein Leben schreibt“ nichts ändern.
Die Welt des Slogan-Karussells
Und damit wird die Welt des Slogan-Karussells sich sehr wahrscheinlich weiter und weiter drehen. So hieß es dann bereits 2004 bei C&A: „Preise gut, alles gut“. 2015 startete man dann eine Kampagne mit dem Motto „Today’s look is“. 2017 gab es dann eine Kampagne rund um „Feel Good Fashion“. Seit Herbst 2020 steht C&A für „#Wear the change“, um so auch den Nachhaltigkeitsgedanken, den man in die Markenidentität hinzufügte, verstärkt zu kommunizieren. Daneben sollte die Marke natürlich auch weiterhin, wie eine deutsche Werbefachzeitschrift berichtete, für „Bekleidung für alle zu einem großartigen Preis-Leistungs-Verhältnis“ stehen. Aus dieser Perspektive betrachtet wird es spannend wie lange es „Fashion for Life“ geben wird. So ist auch der Claim „Autos zum Leben“ von Renault längst Geschichte. Statt vom Leben zu reden, sollten sich wahrscheinlich mehr Marken Gedanken machen, warum man wirklich Teil dieses Lebens sein sollte. Man wird auch nicht relevant, wenn man nur von Relevanz spricht. Und man hat auch lange noch keine Haltung, wenn man das Wort „Haltung“ in den Mund nimmt.
Erschien im Original auf Horizont.net
“Konzentration auf ein Leadprodukt“?
Dazu gibt es ja auch ein schönes Beispiel 50 km von Ihnen entfernt.
Kreisel Electric im Mühlviertel etwa lieferte die „Batterie für den Hummer von Arnold Schwarzenegger“.
Und schon gab es Presseberichte en masse. Zitat? „Auf einmal spielen die 3 Kreisel-Brüder aus dem Mühlviertel im Wettlauf um die weltbesten Akkus mit.“