Drei Arten von Märkten und die richtige Markenstrategie finden

In meinem letzten Blog-Beitrag ging es um drei verschiedene Märkte aus Markensicht, nämlich um mental geordnete Märkte, mental teilgeordnete Märkte und um mental ungeordnete Märkte. Aber wie sollte man aus Markensicht mit diesen drei Märkten umgehen? Dazu entwickelten Al Ries und Jack Trout bereits in den 1970er Jahren ein Strategiemodell mit vier Normstrategien, das dann in den 1980er Jahren unter dem Titel „Marketing Warfare“ bekannt wurde.

(1) Defensivstrategie

Das ist die Strategie für Marktführer. Vor allem in geordneten Märkten geht es dabei darum, dass der Marktführer seine mentale Position absichert und gleichzeitig den Markt wichtiger macht. Dazu sollte es eine klare Aufgabenverteilung zwischen Aufforderung in der Kommunikation und Absenderfunktion des Slogans geben. So sollte Coca-Cola etwa in der Werbung für mehr Cola-Konsum generell werben, während man im Slogan die Original oder Marktführerposition kommunizieren sollte. Zudem sollten extrem starke Marken im Laufe der Zeit auf ein Mehr-Marken-System setzen, um einen Markt wirklich mental und tatsächlich zu dominieren.

In teilgeordneten oder sogar ungeordneten Märkten ist dieses Strategieverhalten für den Marktführer sogar noch wichtiger als in geordneten Märkten. Denn wenn hier der Marktführer nicht klar seine Marktführerschaft zum Ausdruck bringt, überlässt er diese Chance unter Umständen einer starken Nummer 2. Dies passierte etwa in Österreich im Möbelhandel der Marke Kika. So war um die Jahrtausendwende Kika die klare Nummer 1 auf dem Papier, also in den Marktanteilsstatistiken. In den Köpfen der Kunden gab es aber keine klare Rangordnung. Dieses „mentale Chaos“ nutzte der Herausforderer Lutz, um sich mit dem genialen Namen XXXLutz zuerst nur mental suggestiv und dann tatsächlich zum Marktführer aufzuschwingen.

(2) Offensivstrategie

Das ist die Strategie für einen starken Herausforderer, in der Regel die Nummer 2 im Markt. Das heißt: Wenn der Markt in der Wahrnehmung der Kunden klar geordnet ist, sollte sich der Herausforderer als die Alternative zum Marktführer positionieren. Entscheidend dabei ist ein enger Fokus, der den Marktführer in „der Schwäche seiner Stärke“ trifft.

In den 1960er Jahren war Mercedes klar die wahrgenommene Nummer 1 im automobilen Premiumsegment. Mercedes stand damals ganz klar für Prestige und Fahrkomfort. Ein Mercedes war ein Wohnzimmer auf Rädern. Genau diese starke Position nutzte BMW, um aktiv die Gegenposition zu Fahrkomfort einzunehmen. Fahrfreude wurde so in den 1960er Jahren zum Fokus der Marke.

Etwas anders sieht es aus, wenn der Markt nur teilgeordnet oder sogar ungeordnet ist. Dann sollte man sich gegen den Markt in Summe positionieren. Dabei kann es sogar Sinn machen, dass man das „mentale Chaos“ selbst aktiv verstärkt. Genau das könnte etwa Radeberger Pilsner tun! Dazu sollten wir zuerst einen Blick in die Wahrnehmung werfen! Wissen Sie, wer das meistverkaufte Pilsbier in Deutschland ist? Dazu kommt noch ein weiterer Punkt: Im Jahr 2020 wurden in Deutschland über 1.500 Brauereien gezählt. Genau hier könnte Radeberger mental ansetzen, nämlich so: „In Deutschland gibt es über 1.500 Brauereien, aber nur eine Original-Pilsbier-Brauerei.“ Das ist natürlich Radeberger selbst.

(3) Flankenstrategie

Wenn man in einem geordneten oder auch weniger geordneten Markt nicht zu den Top-Playern gehört, oder wenn man eine neue Marke lancieren möchte, dann sollte man auf eine Flankenstrategie setzen. Dazu muss man eine neue Kategorie am Markt einführen. Entscheidend dabei ist, dass man einen unbesetzten, also freien Platz in der Wahrnehmung der Kunden findet und besetzt.

So war Netflix kein weiterer Fernsehsender, sondern der erste Videostreaminganbieter. Spotify war kein weiterer Radiosender, sondern der erste Musikstreaminganbieter. Red Bull war keine weitere Cola, sondern der erste Energydrinkanbieter. Wagner Pizza war keine weitere Fertigpizza, sondern die erste Steinofen-Fertigpizza.

Aber es geht, wie oben erwähnt, nicht nur um das Finden der neuen Kategorie, sondern wirklich um das mentale Besetzen. Der Nissan Leaf war über Jahre das meistverkaufte Elektroauto dieser Erde, aber man vergaß, diese Kategorie auch mental zu besetzen. Das überließ man Elon Musk mit Tesla. Spannend ist aktuell in Deutschland der neue Markt und damit die neue Kategorie Hard Seltzer. Hier gibt es aktuell vor allem drei Anwärter, die diese neue Kategorie gerne besetzen möchten. Da gibt es einmal die Marke Topo Chico aus dem Hause Coca-Cola, dann gibt es Pure Pirana aus dem Hause Heineken und natürlich den Kategorieerfinder White Claw. Dazu hieß es in einer deutschen Werbefachzeitschrift: „Da kein Hersteller sich derzeit auf eine nennenswerte Unternehmenshistorie oder einen besonders komplexen Herstellungsprozess berufen kann, wird letztlich entweder die Vertriebsmacht oder die Originalität der Markenbotschaft entscheidend für den Markterfolg sein.“ Aus Markensicht lautet die Antwort: „Weder noch! Gewinnen wird jene Marke, die es schafft als Erfinder und Original wahrgenommen zu werden. Punkt!“ Dazu sollte White Claw nicht irgendwelche kreativen Botschaften kommunizieren, sondern sich klar als „Das Original“ darstellen.

Oder nehmen Sie den Markt für Smartphones. Hier hieß es kürzlich in den Medien: „Samsung legt Fokus auf Falt-Handys“. Falt-Handys haben das Potenzial zu einer neuen Kategorie in der Wahrnehmung. Nur wenn jemand dieses Potenzial wirklich voll nutzen möchte, sollte er a la Apple mit dem iPhone unbedingt über eine neue Marke oder wenigstens Submarke nachdenken. Das heißt aber auch: Wenn man das volle Potenzial einer neuen Kategorie langfristig voll nutzen möchte, braucht diese Kategorie eine eigene Marke.

(4) Guerillastrategie

Aber es gibt in unserem Gehirn nicht nur Platz für die großen Marken. Es gibt in unserem Gehirn auch Platz für viele, viele Spezialisten, wobei diese Spezialisten nicht für alle Menschen die gleiche Bedeutung haben. Wenn Sie heute Gastronom sind, und Sie denken an Kombidämpfer, dann denken Sie automatisch an Rational. Für die breite Masse hat Rational wiederum keine Bedeutung. Wenn Sie heute eine Unternehmensberatung mit dem Schwerpunkt Pricing oder Preismanagement suchen, denken Sie wahrscheinlich an Simon-Kucher.

Speziell durch das Internet werden wir in Zukunft eine Flut von eng fokussierten Marken, sogenannten Mikromarken erleben. Diese werden national, vor allem aber global ihre eigenen Communities haben. So berichtete etwa das Nachrichtenmagazin Der Spiegel, dass im globalen Kosmetik- und Pflegemarkt die Mikromarken mittlerweile einen Marktanteil von rund 40 Prozent haben.

Das Spannende dabei: Im Laufe der Zeit werden sich diese Mikromarken in drei Richtungen entwickeln: (1) Manche Mikromarken werden zu Massenmarken aufsteigen. (2) Viele Mikromarken werden Mikromarken bleiben. (3) Viele Mikromarken werden wieder verschwinden, um Platz für neue Mikromarken zu machen.

Aber der entscheidende Punkt auch hier: Es geht nicht um Spezialisierung im herkömmlichen Sinne, sondern es geht darum, dass man die eine Spezialisierung findet, mit der man in einer bestimmten Zielgruppe oder einer bestimmten Community, oder in einem bestimmten Produkt- oder Dienstleistungsbereich oder auch in einer bestimmten Region zur Nr. 1 in den Köpfen der Kunden wird. Das heißt: Man findet die Nische nicht im Markt oder im Internet, sondern in der Wahrnehmung und im Gedächtnis der Kunden.

Wahrnehmung versus Realität

Das heißt aber auch: Der wichtigste Aspekt, wenn man dieses Strategiemodell für die eigene Marke einsetzen möchte, ist, dass man immer von der Wahrnehmung der Kunden ausgeht. Es nützt Ihnen etwa wenig, wenn Sie nur der Marktführer auf dem Papier sind. So war auch die tatsächliche Marktführerposition von Nissan mit dem Nissan Leaf letztendlich bedeutungslos. Entscheidend war immer die wahrgenommene Marktführerschaft von Tesla. Zudem ist entscheidend für dieses Modell, dass man nie isoliert über die eigene Marke nachdenkt. Es geht immer darum, dass man die eigene Marke im wahrgenommenen Marktkontext versteht.

Das heißt aber auch: Grundsätzlich ist das ein sehr einfaches Modell, um die richtige Normstrategie für die eigene Marke zu finden. Nur das Einfache ist oft in der Anwendung und Umsetzung das Schwierigste. Das gilt vor allem für die Welt des Managements, die gerne in harten Zahlen, Daten und Fakten denkt. Natürlich sind diese harten Zahlen, Daten und Fakten wichtig. Nur wenn diese mit der Wahrnehmung der Kunden kollidieren, gewinnt in der Regel die Wahrnehmung. Das ist für mich auch ein wesentlicher Grund, warum so oft auch Strategien von großen, etablierten Unternehmen scheitern. Hier wurde von den verantwortlichen Managern und deren Beratern in der Regel alles außer der Kundenwahrnehmung bedacht.

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